Das Projekt sieht vor, die staatlichen Leistungen für Kinder zu bündeln – und zu splitten in ein einkommensunabhängiges Kindergeld für alle sowie einen einkommensabhängigen Zuschlag für Bedürftige. Das soll zunächst knapp 2,5 Milliarden Euro kosten. Später dürften die Sätze und damit der Gesamtbetrag steigen. Tatsächlich tun sich immer neue Hindernisse auf. Und ob die Kindergrundsicherung zum 1. Januar 2025 wirklich eingeführt wird, wie die grüne Bundesfamilienministerin will, steht in den Sternen.
Zuletzt hakte es noch an einigen Punkten, die aber inzwischen geklärt sind. So wird nach Angaben aus Regierungskreisen der so genannte Kindergeldübertrag abgeschafft. Bisher wird der Anteil des Kindergelds, der nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes dient, bei den Eltern angerechnet – andere staatliche Leistungen werden also bei ihnen entsprechend reduziert. Das sollte zunächst auch beim neuen Garantiebetrag so gehandhabt werden. In den Kreisen hieß es jedoch, die möglichen Einsparungen hätten dann nicht mehr im Verhältnis zum bürokratischen Aufwand gestanden, der auf jährlich 150 Millionen Euro beziffert wurde.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) setzte durch, dass der 2022 eingeführte Sofortzuschlag von 20 Euro pro Kind und Monat nicht dauerhaft an Asylbewerber gezahlt wird. Bei den Empfängern von Kindergrundsicherung fließt der Betrag dagegen wie geplant in die neuen Regelsätze ein. Das Finanzministerium erreichte zudem, dass Leistungen für junge Erwachsene gemindert werden können, wenn sie sich zum Beispiel nicht ernsthaft um eine Ausbildung bemühen.
Eine weitere Hürde ist praktischer Natur. So war zuletzt eine Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit (BA) bekanntgeworden, die in der Ampelkoalition für Wirbel sorgte. Darin wies die BA daraufhin, dass sie die Kindergrundsicherung nicht wie von Paus geplant zum Januar 2025 umsetzen könne. Die Behörde nannte das "unrealistisch". Selbst ein schrittweiser Einstieg ab dem 1. Januar sei "nicht mehr vorstellbar", teilte die Behörde mit - und schlug als Einführungsdatum den 1. Juli vor, allerdings auch in diesem Fall nur in Stufen.
Der Grund für die Verzögerungen sind Anpassungen in der IT der Behörde sowie die Organisation der Schnittstellen zum Bürgergeld. Das koste 12 Monate Vorbereitung. So muss etwa die Verzahnung mit den Jobcentern geklärt werden, die aktuell die bedürftigen Kinder im Rahmen des Bürgergeldes betreuen. Hinzu kommt, dass die Familienkasse, die für die Auszahlung des Kindergeldes und des Kinderzuschlages zuständig ist, in den sogenannten Familienservice umgewandelt werden soll.
Auch die Arbeitsagentur ist mit im Boot, weil unter anderem der Datenaustausch zwischen ihr, den Jobcentern und dem Familienservice ermöglicht werden muss. Mit all den Änderungen kann die BA erst beginnen, wenn die Pläne beschlossen sind und Geld geflossen ist.
Es gilt abgesehen davon als wahrscheinlich, dass sich im Laufe des parlamentarischen Verfahrens noch zahlreiche Details ändern werden. In der Bundesregierung geht man jedenfalls davon aus, dass die Kindergrundsicherung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat landen wird. Die Union im Bund hat die Pläne bereits scharf kritisiert.
All das führt zu Zweifeln selbst im Lager der Befürworter. Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes, Maria Wersig, wertete den Gesetzentwurf kürzlich als komplizierte und teure Verwaltungsreform, die weder Kinder vor Armut schützen noch faire Startchancen schaffen könne. Sie lehnte es insbesondere ab, dass verschiedene Behörden für Grundsicherungsleistungen einer Familie zuständig sein sollen, getrennt danach, ob es sich um Leistungen für Kinder oder Eltern handelt. Im Familienministerium freuen sie sich derzeit, dass in der Koalition die letzten grünen Haken unter das Projekt kommen. Doch bis Lisa Paus alle Hürden genommen hat, ist noch ein langer Weg.
dpfa