Krings sagte: "Die heutige Entscheidung ist bitter für die Angehörigen von Mordopfern. Ich hätte mir gewünscht, dass das Gericht die Belange der Familien der Opfer und der Allgemeinheit stärker gewichtet hätte. Auch das Sondervotum von zwei Richtern des Senats zeigt, dass die Entscheidung selbst beim Bundesverfassungsgericht nicht unumstritten ist."
Krings befürchtet außerdem negative Folgen für die Verfolgung von Kriegsverbrechen. "Jetzt werden deutsche Staatsanwälte noch vorsichtiger werden, ob sie beispielsweise ein russisches Kriegsverbrechen bei uns zur Anklage bringen, wenn hier nicht alle Beweismittel aus dem Kriegsgebiet optimal verfügbar oder erreichbar sind. Viele Kriegsverbrecher werden dann voraussichtlich gar nicht vor Gericht gebracht", sagte er.
Mit der Reform der Strafprozessordung wollte die große Koalition, dass ein Verdächtiger, der bereits freigesprochen wurde, für dieselbe Tat nochmals vor Gericht gestellt werden kann, wenn es neue Beweise gibt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verstößt das jedoch gegen den Artikel 103 des Grundgesetzes.
Konkreter Anlass für die Prüfung war der Mord an Frederike von Möhlmann. Die 17-Jährige aus Hambühren bei Celle war 1981 vergewaltigt und ermordet wurde. Der bereits damals Verdächtige, Ismet H., wurde im ersten Prozess schuldig, nach der Revision im zweiten Prozess freigesprochen. Nach einer neuen DNA-Untersuchung einige Jahrzehnte später könnte er aber der Täter sein. Ihm sollte der Prozess gemacht werden, doch er legte Verfassungsbeschwerde ein.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts muss der 64-jährige Ismet H. nun keinen neuen Prozess fürchten. Er bekommt vom Land Niedersachsen eine Entschädigung für seine entstandenen Kosten und für seine Zeit in der Haft, machte die Richterin Doris König klar.