Auf einmal waren sie da: poppig bunte Aufkleber in der Amsterdamer Innenstadt. Vor allem rund um Bars, Clubs und Cafés sind Laternenpfähle vollgeklebt, Verkehrsschilder oder Bauzäune. Die Aufkleber in den schrillen Farben fallen auf zwischen allen anderen Stickern für Musikgruppen oder Fußballvereine. Oft sind sie bedruckt mit einem Gesicht im Comic-Stil mit herausgestreckter Zunge, und darauf liegt eine Briefmarke, ein Smiley oder eine Pille. Daneben steht ein QR-Code. Wer den scannt, landet auf Verkaufsseiten für Drogen.
Vor allem synthetische Drogen werden so vermarktet, aber vereinzelt sahen Reporter auch schon Sticker für Kokain und Cannabis. Und nicht nur in Amsterdam. Drogen-Sticker tauchten inzwischen auch in anderen niederländischen Städten auf wie in Nimwegen an der deutschen Grenze und in der Studentenstadt Utrecht. In Deutschland gibt es nach Informationen des Bundeskriminalamtes bisher keine Fälle von Drogenhandel mit QR-Code.
"Es ist eine neue und ziemlich freche Marketingmethode", sagt Ton Nabben, Kriminologe an der Fachhochschule in Amsterdam. Sogar Nabben war überrascht, und er ist Experte für Jugendkultur und Drogenkonsum. "Durch diese Sticker wird nun öffentlich Reklame für Drogen gemacht." Wie sich das auf den Handel auswirken wird, ist noch nicht abzuschätzen.
Schon länger folgt der Verkauf auch der verbotenen Mittel dem technologischen Fortschritt. Noch immer gibt es zwar Straßendealer oder solche, die mehr oder weniger offen Partydrogen auf Festivals oder in Clubs anbieten. Doch der Verkauf läuft auch online, und zwar durch das Aufkommen der Handys. Über Dienste wie Signal oder Telegram werden Kontaktnummern von Dealern weitergegeben, erzählt der Experte Nabben, über soziale Medien kann man sich ganze Menükarten herunterladen.
"In den vergangenen 25 Jahren hat sich der Handel verändert vom Abholen zum Lieferservice", sagt der Kriminologe. Eben wie bei Pizza und Bier. Kunden bestellen, bezahlen online und der Händler liefert. Das funktioniert mit Kokain, Pillen, Lachgas oder Joints. "Das ist kapitalistische Logik", sagt er.
Und mit Stickern und QR-Codes soll das jetzt noch einfacher gehen - wenn es denn klappt. Lokale Reporter haben es ausprobiert: In einigen Fällen konnten sie über die sonst üblichen Online-Bezahlkanäle abrechnen. Doch bei anderen Webshops musste man mit Bitcoins bezahlen. Andere berichteten in Medien, dass es bei ihnen nicht geklappt habe und sie auf einer mehr als dubiosen ukrainischen Website landeten.
Die Amsterdamer Polizei will den Handel per QR-Code untersuchen. Doch viel Hoffnung hat sie nicht. "Es ist sehr schwierig herauszufinden, wer dahinter steckt", sagte eine Sprecherin der dpa. Die Ermittler fürchten aber nicht, dass der Handel durch die Sticker sehr zunehmen werde. Vor allem, wenn mit Bitcoins bezahlt werden müsse. Das schrecke doch viele ab.
Auch das Trimbos-Forschungsinstitut für Suchtproblematik und psychische Gesundheit in Utrecht sieht vorerst keine akute Gefahren. "Bisher werden vor allem Designerdrogen angeboten, die noch nicht verboten sind", sagte Sprecher Koen Koopman. "Aus Studien wissen wir aber, dass Leute eher bekannte illegale Drogen wählen, wie Estacy, Kokain oder Amphetamine, als unbekannte Stoffe zu bestellen."