Die Hamburgerin, die nach Angaben eines Gerichtssprechers Medizinerin ist, will ein Schmerzensgeld von mindestens 150 000 Euro. Zudem solle festgestellt werden, dass Biontech zum Ersatz von möglichen materiellen Schäden verpflichtet wird. Die beklagte Firma bestreitet die Vorwürfe. Mit einer Entscheidung über die Klage ist bei diesem ersten Verhandlungstermin laut Gericht nicht zu rechnen. Angesichts einer tödlichen Pandemie, die Anfang 2020 ausbrach und zu Grenzschließungen und Abriegelungen führte, die Millionen von Menschen in ihren Häusern festhielten, wurde die Einführung von Covid-Impfstoffen weithin als Lebensretter gefeiert.
Doch die Impfungen, die in rasantem Tempo entwickelt und frühzeitig zur Anwendung zugelassen wurden, stehen nun in mehreren Ländern, darunter Frankreich, Deutschland und Großbritannien, im Mittelpunkt von Klagen, da die Kläger behaupten, die Impfstoffe hätten ihre Gesundheit geschädigt. In in Hamburg wird nun als erstes einen Fall gegen den Impfstoffhersteller BioNTech verhandeln, der zusammen mit dem US-Riesen Pfizer den ersten mRNA-Impfstoff Comirnaty hergestellt hat.
Der Anwalt der Klägerin Thomas Ulbrich, der auch weitere 250 Menschen in ähnlichen Fällen vertritt, sagte, seine Mandanten seien "alle gesund", bevor sie angeblich nach den Impfungen Symptome zeigten. Er glaubt, dass die ihm vorliegenden Krankenakten einen Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Symptomen seiner Klienten herstellen. Der mRNA-Impfstoff von BioNTech, ein wissenschaftlicher Durchbruch, hatte bereits am 21. Dezember 2020 von der EU-Zulassungsbehörde EMA eine bedingte Marktzulassung erhalten. Eine ähnliche Genehmigung für Moderna, einen weiteren Hersteller von mRNA-Impfstoffen, folgte schnell.
Da die Angst vor einer Ansteckung mit der Krankheit groß war, bestellten die Regierungen die Impfstoffe bereits während der Entwicklungsphase vor und wurden rasch eingesetzt, nachdem die Aufsichtsbehörden ihre Genehmigung erteilt hatten. Doch die neue Generation von Impfungen löste auch eine Welle von Impfskeptikern aus, die die Sicherheit der Impfungen in Frage stellten. Von den 192 Millionen in Deutschland verabreichten Impfungen wurden nach Angaben der deutschen Arzneimittelbehörde, dem Paul-Ehrlich-Institut, 338.857 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet, darunter 54.879 schwere Reaktionen.
Bei den schlimmsten Fällen "sind die Symptome sehr unterschiedlich, sie reichen von Schlaganfall über Thrombose bis hin zu Herzerkrankungen", sagte ein anderer Anwalt, Joachim Caesar-Preller, der 140 Mandanten vertritt, die ähnliche Ansprüche geltend machen. Er verlangt bis zu einer Million Euro Schadensersatz pro Fall – zuzüglich Zinsen –, räumt aber ein, dass ihm in den Rechtsstreitigkeiten ein "steiniger und langer Weg“ bevorstehe. Eine zentrale Frage für die Gerichte ist, ob die Nebenwirkungen des Medikaments bei korrekter Anwendung "ein nach ärztlichen Erkenntnissen vertretbares Maß" überschreiten. Mit anderen Worten: Die Auswirkungen müssen schwerwiegend genug sein, um berücksichtigt zu werden, sagte Anatol Dutta, Professor an der Universität München.
Die Klägerin glaubt, dass ihre Symptome schwerwiegend genug seien. Sie sagte, sie habe nach der Impfung stark an Gewicht verloren und sich mehreren Darmoperationen unterziehen müssen. "Ich hasse es, wenn mir Leute sagen, dass ich ein Einzelfall bin“, sagte sie. "Ich bin nicht." Um die Frage der Kausalität zu klären, müssten die Gerichte wahrscheinlich Expertenrat einholen. Neben dem Rechtsweg können sich Antragsteller auch an den Staat wenden, um eine Entschädigung für den Einkommensausfall zu verlangen. Laut Berichten wurden bis April mehr als 8.000 solcher Anträge in Deutschland gestellt, rund fünf Prozent waren bislang erfolgreich.
In einer Erklärung sagte BioNTech, dass die Anzahl der Haftungsansprüche gegen das Unternehmen im Vergleich zur Anzahl der weltweit gelieferten Dosen sehr gering sei und dass jeder Anspruch einzeln geprüft werden müsse."Berechtigte Haftungsansprüche würden von BioNTech selbstverständlich erfüllt", hieß es, fügte jedoch hinzu, dass "kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den vorgelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung mit Comirnaty nachgewiesen" sei, und zwar in den bisher geprüften Fällen.
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