Inmitten der schweren Kämpfe im Gazastreifen fällt an diesem Freitag vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eine erste Vorentscheidung im brisanten Völkermord-Verfahren gegen Israel. Dabei geht es noch nicht um den Hauptvorwurf des Völkermordes, sondern zunächst um einen Eilantrag über Schutzmaßnahmen für die Palästinenser. Dieser ruft die UN-Richter zu einer Anordnung an Israel auf, die militärischen Handlungen im Gazastreifen sofort einzustellen.
Um am Freitag ein Urteil zu fällen, müssen die 17 Richter – 15 ständige Richter sowie je einer aus Südafrika und Israel – zwei Fragen beantworten:
Erstens, ob Südafrika den grundlegenden Test bestanden hat, um zu zeigen, dass seine Klage gegen Israel im Rahmen der Völkermordkonvention der Vereinten Nationen von 1948 behandelt werden kann. Die Konvention – die Israel und Südafrika unterzeichnet haben – definiert, was Völkermord darstellt. In diesem vorläufigen Stadium des Falles liegt die Messlatte relativ niedrig.
Zweitens, ob die plausible Gefahr eines irreparablen Schadens für das palästinensische Volk in Gaza besteht, wenn die israelische Militäraktion fortgesetzt wird. Außerdem sind die Richter nicht auf die spezifischen Wünsche Südafrikas beschränkt. Das Gremium könnte Israel einfach anweisen, sicherzustellen, dass seine Handlungen im Einklang mit dem Völkerrecht stehen und dass es nichts unternimmt, um die Lieferung von Nahrungsmitteln, Wasser oder Medikamenten zu behindern.
Der IGH hat jedoch nur die Befugnis, beratende Stellungnahmen abzugeben. Und obwohl seine Urteile theoretisch rechtsverbindlich sind, können sie vom Gericht nicht durchgesetzt werden. Sollte das Urteil vom Freitag gegen Israel ausfallen, wird es mit ziemlicher Sicherheit ignoriert.
Südafrika hatte Ende Dezember Klage gegen Israel eingereicht und dem Land die Verletzung der Völkermord-Konvention vorgeworfen. Es ist das erste Mal, dass sich Israel vor dem UN-Gericht einem Völkermord-Vorwurf stellen muss. Bei der Anhörung im Den Haager Friedenspalast vor etwa zwei Wochen hatte Israels Vertreter die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen. "Israel ist im Krieg mit (der Islamistenorganisation) Hamas, aber nicht mit dem palästinensischen Volk", hatte der Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, Tal Becker, gesagt. Israel wies auch die Forderung nach einem Ende des Militäreinsatzes zurück. Damit würde dem Land das Recht auf Selbstverteidigung genommen, hieß es zur Begründung.
Anlass für den Gaza-Krieg war ein verheerendes Massaker der Hamas und anderer Extremisten am 7. Oktober 2023. Dabei wurden rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden. Israel macht die Hamas für die Opfer und das Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen verantwortlich.