Am Mittwoch wurde der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán während einer mit Spannung erwarteten Rede im Europäischen Parlament von hochrangigen EU-Vertretern scharf kritisiert. Diese Konfrontation fand vor dem Hintergrund der anhaltenden politischen Spannungen zwischen Brüssel und Budapest statt, insbesondere in Bezug auf Orbáns autokratische Tendenzen und seine pro-russische Außenpolitik während des Ukraine-Kriegs.
Orbán, der als engster Verbündeter von Präsident Wladimir Putin innerhalb der EU gilt, äußerte in seiner Rede Besorgnis über die gegenwärtige Lage der Europäischen Union. Er bezeichnete die Situation als "schwerste Periode" in der Geschichte der Union und forderte eine grundlegende Veränderung der EU-Politik. Seiner Meinung nach steht die EU vor einer Reihe von Herausforderungen, darunter der Ukraine-Krieg, Konflikte im Nahen Osten und eine potenzielle Zerschlagung des Schengen-Systems durch eine anhaltende Migrationskrise.
Orbán machte auch deutlich, dass er von den Maßnahmen der EU zur Unterstützung der Ukraine nicht überzeugt ist. Seine Forderung nach einem veränderten Umgang mit Russland stieß auf scharfe Kritik von Seiten der EU-Kommission, insbesondere von Ursula von der Leyen, die direkt nach Orbán sprach. Sie warf Budapest vor, die Unterstützung für Kiew zu verzögern und die militärische Hilfe zu behindern, die für den ukrainischen Widerstand gegen die russische Aggression notwendig ist.
Die Debatte zwischen Orbán und von der Leyen spiegelte die tiefen Gräben wider, die zwischen den verschiedenen politischen Lagern innerhalb der EU bestehen. Von der Leyen wies Orbáns Behauptung zurück, die EU habe eine "schlecht geplante und schlecht umgesetzte" Strategie im Ukraine-Konflikt verfolgt. Sie betonte, dass der Frieden in Europa nur durch anhaltende Unterstützung für die Ukraine erreicht werden kann. "Die Menschen in der Ukraine sind Freiheitskämpfer", sagte sie und stellte fest, dass Kapitulation nicht die Antwort sein kann.
Die Kritik an Orbáns unkoordinierter "Friedensmission", die er im Juli ins Leben gerufen hatte, kam ebenfalls scharf. Die EU-Kommission ordnete daraufhin einen De-facto-Boykott der ungarischen Präsidentschaft an, was Orbáns Glaubwürdigkeit weiter untergrub.
Ein weiterer zentraler Punkt in Orbáns Rede war die Migrationspolitik. Er äußerte die Besorgnis, dass die Ankunft von Asylsuchenden aus Ländern mit niedrigem Einkommen zur Zunahme von Antisemitismus und Gewalt gegen Frauen führen könnte. Seine Vorschläge, die Asylverfahren in "externen Hotspots" in Nachbarländern zu verlagern, wurden von vielen Abgeordneten als unethisch und möglicherweise rechtlich problematisch angesehen.
Von der Leyen konterte Orbáns Argumente mit dem Hinweis, dass die EU nur gemeinsam gegen die organisierte Kriminalität vorgehen könne. Sie stellte in Frage, wie es sein könne, dass Ungarn russische Staatsbürger ohne Sicherheitskontrollen ins Land einlade. Ihre Rhetorik fand großen Zuspruch von zentristischen Abgeordneten, die die Wichtigkeit der europäischen Solidarität betonten.
Orbán versuchte während seiner Rede auch, die Erfolge nationalkonservativer und rechtsextremer Parteien in anderen EU-Ländern als Beleg dafür anzuführen, dass sich das politische Klima in Europa zu seinen Gunsten verändert. Er verwies auf die Wahlgewinne rechtspopulistischer Parteien in Italien, den Niederlanden und Österreich und argumentierte, dass diese Entwicklung ihm Rückhalt gebe.
Die Auseinandersetzung zwischen Orbán und den EU-Vertretern stellt nicht nur eine politische Konfrontation dar, sondern spiegelt auch tiefere Risse innerhalb der EU wider, die sich aus unterschiedlichen Visionen für die Zukunft Europas ergeben. Während Orbán versucht, seinen Einfluss auszubauen und die Unterstützung nationalistischer Bewegungen zu nutzen, bleibt die EU gefordert, ihre Grundwerte der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Die Entwicklungen der kommenden Monate werden zeigen, ob die EU in der Lage ist, eine einheitliche Antwort auf Orbáns Herausforderungen zu finden und ob Budapest weiterhin als Blockierer innerhalb der Union agieren kann.
Quellen: The Guardian, Reuters, Euronews, Financial Times