Viele Bäuerinnen und Bauern steigen derzeit auf ihre Traktoren – doch sie brechen nicht in Richtung ihrer Felder, sondern zu Protesten auf: Im Wendland fuhren am Donnerstagabend nach Angaben der dortigen Grünen rund 30 Schlepper beim Privatgrundstück von Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte vor. Es war eine der ersten Protestaktionen gegen die Abschaffung der Steuervergünstigung für Agrardiesel sowie weiterer Steuerprivilegien für Landwirte – die letzte wird es mit Sicherheit nicht gewesen sein.
Dabei polarisiert die Aktion im Wendland durchaus: Als Landesministerin war Grünen-Politikerin Staudte an den jüngst verkündeten Einsparungen nicht beteiligt, hatte sie stattdessen sogar kritisiert. Doch die Wut ist – davon zeugen auch einschlägige Facebook-Gruppen – groß. Der Deutsche Bauernverband bemüht sich am Freitag denn auch, sie gen Berlin zu lenken: Am Montag sollen dort ebenfalls Bauern – samt ihrer Traktoren – demonstrieren. "Wenn diese Pläne nicht zurückgenommen werden, wird es heftigen Widerstand geben", kündigte Bauernpräsident Joachim Rukwied an.
Gemeint sind die Pläne, sowohl die Steuererstattung bei Diesel für Agrarfahrzeuge als auch die KFZ-Steuerbefreiung im Land- und Forstwirtschaftsbereich 2024 abzuschaffen. Darauf hatten sich Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck am Mittwoch verständigt. 900 Millionen Euro sollen so eingespart werden, um einen schuldenbremsenkonformen Haushalt zu verabschieden.
Rukwied hatte die geplanten Einsparungen schon frühzeitig als Kampfansage bezeichnet. Die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe werde geschwächt. "Eine Streichung des Agrardieselzuschusses wird den Strukturwandel weitertreiben und Lebensmittel deutlich verteuern", warnte er am Mittwoch. Zuletzt äußerten sich zahlreiche weitere Bauernverbände ähnlich.
Wie stark sich Lebensmittel durch den Wegfall des Agrardiesels verteuern, blieb am Freitag indes unklar: Erich Gussen, Vizepräsident des rheinischen Landwirtschaftsverbands, bezifferte die Mehrkosten gegenüber dem WDR auf etwa 100 Euro pro bewirtschafteten Hektar. Einen durchschnittlichen deutschen Bauernhof dürfte allein die Streichung des Agrardiesels deshalb etwa 6300 Euro pro Jahr kosten. Was das unter dem Strich für Lebensmittelpreise bedeutet, bezifferte der Bauernverband auf Anfrage aber nicht.
Andere Branchenvertreter bezweifelten am Freitag zudem, ob die Streichung des Agrardieselrabatts Landwirte dazu veranlasst, auf umweltfreundliche Technologien umzusteigen. "Es gibt kaum Alternativen zu dieselbetriebenen Landmaschinen", ärgerte sich etwa Peter Röhrig, Präsident des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BOELW). In Kreisen der Bundesregierung wird diesbezüglich auf steuervergünstigten Biodiesel aus Pflanzenfett, etwa HVO, verwiesen. Dessen Markthochlauf in Deutschland beginnt aber gerade erst.
Röhrig rechnet denn auch damit, dass die Bauern zunächst entweder die Preise erhöhen oder auf Gewinne verzichten müssen. "Das schnürt den Betrieben die Luft ab – obwohl sie eigentlich Geld für Investitionen in Nachhaltigkeit brauchen", betonte er.
Die Vergünstigungen für Agrardiesel stehen wie klimaschädliche Subventionen insgesamt nicht erst seit gestern in der Kritik. Auch das Bundesagrarministerium (BMEL) hatte im Sommer per Brief an das Finanzministerium eine "Überarbeitung" der Regelung vorgeschlagen. Einige FDP-Politiker verleitete das am Freitag dazu, Agrarminister Cem Özdemir via "Bild"-Zeitung die Einsparungen beim Agrardiesel anzukreiden.
Das BMEL zielt darin auf das Jahr 2025 ab. Auch sollten beim Agrardiesel frei werdende Mittel der Landwirtschaft zugutekommen, heißt es ausdrücklich weiter. Dass die gestrichenen Gelder nun stattdessen den Bundeshaushalt schonen, hatte Agrarminister Cem Özdemir schon am Mittwoch kritisiert, er sei an der Entscheidung nicht beteiligt gewesen. "Das BMEL hat zu keinem Zeitpunkt einen Vorschlag zur Streichung der Agrardieselbeihilfe eingebracht ", bekräftigte das Ministerium am Freitag gegenüber dem RND.
Ob Schuldzuweisungen bei den Bäuerinnen und Bauern Eindruck hinterlassen, bleibt abzuwarten. Auf die Bundesregierung waren ihre Verbände zuletzt ohnehin nicht gut zu sprechen, nachdem der von der Bochert-Kommission vorgeschlagene Kompromiss zum Umbau der Tierhaltung im Herbst gescheitert war.