Der Grund: Unter den "Campi Flegrei" – zu Deutsch "brennende Felder" – rumort ein Supervulkan. Heiße Gase und Wasserdampf drücken die Oberfläche der sogenannten "Caldera", des Vulkankessels, immer weiter nach oben – inzwischen um 15 Millimeter pro Monat, Tendenz zunehmend. Dies erzeugt enorme Spannungen, die sich in den Erdbeben entladen. Der Boden wurde seit 2006 insgesamt bereits um zwei Meter angehoben – 20 Zentimeter mehr als während der letzten "kritischen Lage" vor 40 Jahren.
Die Forscher des nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV) hatten die Ängste der Anwohnerinnen und Anwohner vor einem möglicherweise bevorstehenden, verheerenden Ausbruch des Supervulkans bisher stets mit dem Argument relativiert, dass nichts darauf hindeute, dass an der Hebung des Bodens neben den Gasen auch aufsteigende Magma beteiligt sei. Diese Einschätzung hat sich nach neuen, intensiven Untersuchungen in den letzten Wochen nun aber offenbar geändert. "Nach Auffassung der Kommission Großrisiken des Zivilschutzes haben sich Hinweise verstärkt, dass an den Erdbeben und an der Hebung des Bodens auch Magma beteiligt ist", betonte am Dienstagabend der italienische Minister für Zivilschutz, Nello Musumeci.
Das wäre sehr beunruhigend, und Minister Musumeci erwägt deshalb, für die Phlegräischen Felder die Gefahrenstufe von Gelb auf Orange ("Voralarm") zu erhöhen. Die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs des Supervulkans wird damit von "tief" auf "mittel" erhöht, was bedeutet, dass ein Ausbruch nicht mehr, wie bei Gefahrenstufe Gelb, "in einigen Monaten" bevorstehen könnte, sondern "in einigen Wochen", wie es in den entsprechenden Protokollen heißt.
Gefahrenstufe Orange hätte zur Folge, dass die Überwachung noch einmal verstärkt und die Bevölkerung flächendeckend über die Evakuierungspläne, Fluchtwege und Verhaltensvorschriften informiert würde. Eine effektive Evakuierung würde aber erst bei Gefahrenstufe Rot ("Alarm") erfolgen. Sie würde rund 500.000 Bewohner in sieben Gemeinden der Phlegräischen Felder betreffen und müsste innerhalb von 72 Stunden erfolgen.
Der Bürgermeister der Kleinstadt Bacoli, die sich ebenfalls in dem rund 150 Quadratkilometer großen Vulkankessel der Phlegräischen Felder befindet, hat dem Zivilschutz bereits vorgeworfen, mit seinen Warnungen die Touristinnen und Touristen zu verscheuchen. Tatsächlich befinden sich die Behörden diesbezüglich auf einer heiklen Gratwanderung: Wie viel an Information und Prävention kann den Anwohnerinnen und Anwohnern zugemutet werden, ohne dass diese in Panik geraten?
Erschwert wird dieses Dilemma dadurch, dass eine zeitgenaue Voraussage eines Ausbruchs so gut wie unmöglich ist: "In den letzten Jahrzehnten hat sich erwiesen, dass die Zuverlässigkeit von Ausbruchprognosen sehr gering ist – bei 30 Prozent, wenn es gut geht", schrieb der Geophysiker Giuseppe De Natale, einer der besten Kenner der Phlegräischen Felder, schon 2020 in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Natural Hazards and Earth System Sciences".
Supervulkan: Wie der Brustkorb eines schlafenden Riesen
Hinzu kommt, dass die bekannten Vorläufersymptome bei Vulkanausbrüchen – Erdbeben, Hebung des Bodens, erhöhte Oberflächentemperaturen, geochemische Anomalien – in den Phlegräischen Feldern seit Jahrhunderten an der Tagesordnung sind. Dass sich hier die Erdoberfläche immer wieder hebt und senkt, entspricht laut den Vulkanologen einem bekannten Zyklus. Man kann sich den Supervulkan als Brustkorb eines schlafenden Riesen vorstellen: Beim Einatmen dehnt er sich aus, beim Ausatmen verliert er an Volumen.
"Die Phlegräischen Felder könnten auch in eine neue Routine des sanften Auf- und Abschwellens übergehen, wie sie bei ähnlichen Vulkanen auf der ganzen Welt zu beobachten ist, oder einfach zur Ruhe kommen", betont der Vulkanologe Stefano Carlino. Von Ruhe konnte in den letzten Monaten in den Phlegräischen Feldern freilich keine Rede sein.