Und weiter: "Die Ausgangssituation zu Beginn der Heizperiode ist deutlich besser als vergangenes Jahr: Die Gasspeicher sind mit über 99 Prozent sehr gut gefüllt, und die Importe und Einsparungen sind stabil." Für den Bericht hatten Experten den extrem kalten Winter des Jahres 2012 als Grundlage verwendet. Demzufolge kam es in nur zwei von insgesamt sechs berechneten Szenarien dazu, dass der Bundesrepublik nicht ausreichend Gas zur Verfügung stand. Eine vollständige Entwarnung wollte Müller aber nicht geben.
Dafür sei es noch zu früh, sagte er angesichts von Risikofaktoren wie extremer Witterungsverhältnisse, einem reduzierten Import von Erdgas oder politischer Komplikationen. Sollte sich Russland beispielsweise entschließen, den Gasverkauf nach Südosteuropa zu stoppen, wäre Deutschland nach EU-Regeln verpflichtet, einen Teil des eigenen Gases an Partnerländer abzutreten. Auch ein terroristischer Anschlag auf die Gaspipelines aus Norwegen könnte fatal für die Versorgung sein.
Den Deutschen empfiehlt Müller, weiterhin sparsam mit Energie umzugehen. Käme man mit 20 Prozent Gas weniger aus als im mehrjährigen Schnitt, würde sich auch die Vorsorge für einen sehr kalten Winter verbessern. So müssten die Reserven in den Gasspeichern erst so spät wie möglich angezapft werden, heißt es laut der SZ im Bericht der Bundesnetzagentur.
Die Aussichten dafür sind gut. Denn der Energieverbrauch in Deutschland fällt in diesem Jahr einer Prognose zufolge auf ein Rekordtief, vor allem wegen der mauen Wirtschaftsleistung. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen rechnet gegenüber dem Vorjahr mit einem Rückgang um knapp acht Prozent auf 10.784 Petajoule (entsprechend 2996 Terawattstunden). Damit läge der Verbrauch um knapp 28 Prozent unter dem bisherigen Höchststand von 14.905 Petajoule im Jahr 1990, wie die AG Energiebilanzen am Donnerstag in Berlin mitteilte. Zur Einordnung: 2022 wurden in Deutschland laut Bundesnetzagentur 484 Terawattstunden Strom und 847 Terawattstunden Erdgas verbraucht. Eine Terawattstunde sind eine Milliarde Kilowattstunden.
Der Energieverbrauch in Deutschland sei 2023 insbesondere von der wirtschaftlichen Entwicklung geprägt, hieß es. "Die diesjährige wirtschaftliche Leistung könnte in der Größenordnung von 0,5 Prozent zurückgehen." Vor allem die energieintensiven Industriezweige verzeichneten Produktionsrückgänge, was spürbare Auswirkungen auf den Verbrauch habe. Einen verbrauchssenkenden Effekt habe auch die gegenüber dem Vorjahr wärmere Witterung. Nach Berechnungen der AG Energiebilanzen dürfte von der gesamten prozentualen Verbrauchsminderung etwa ein Fünftel witterungsbedingt gewesen sein.
Ein dritter Effekt ergebe sich aus dem Energiepreisniveau. "Zwar sind die Einfuhrpreise für die wichtigsten Importenergien im Jahresverlauf deutlich gesunken. Die Preise liegen dennoch weiterhin deutlich über dem Niveau von 2021", hieß es. Man gehe davon aus, dass die anhaltend hohen Preise für Einsparungen sorgten, aber auch zur Kürzung energieintensiver Produktionen führten.
Ein verbrauchssteigernder Effekt gehe hingegen von der demografischen Entwicklung aus. So führe ein migrationsbedingter Zuzug von 1,35 Millionen Menschen zu einem Anstieg des Energieverbrauchs in einer Größenordnung von etwa 200 Petajoule.