Bei einem Besuch in der litauischen Hauptstadt Vilnius im Juni hatte Pistorius dem Begehren der dort politisch Verantwortlichen überraschend nachgegeben und die Pläne seither energisch vorangetrieben. Kurz vor Weihnachten flog der Minister Litauen erneut an, und zwar mit einer „Roadmap“ im Gepäck. Demnach soll die Brigade bis 2027 einsatzbereit sein. Zu dem Zweck soll umfangreiche Infrastruktur in Rudninkai nahe der Hauptstadt Vilnius sowie in Rukla bei Kaunas entstehen. An beiden Militärstandorten sollen Kasernen und Wohnunterkünfte nach deutschen Erfordernissen gebaut werden. Litauens Sicherheitslage zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus ist prekär, die reguläre Armee des Landes sehr klein.
Allerdings hatten sowohl der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, als auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), bereits im Juni Zweifel an dem Vorhaben geäußert. So ist ungewiss, ob sich bei der Bundeswehr überhaupt 5000 Freiwillige für den Ortswechsel finden. Die Fragen nach Material und Finanzierung sind ebenfalls offen.
Da setzt Mais an. An Generalinspekteur Carsten Breuer schrieb er laut Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, ohne milliardenschwere Investitionen drohe eine Schwächung der heimischen Verbände. Das Heer sei über alle Materialkategorien – „von A wie Artilleriegeschütz bis Z wie Zeltbahn“ – nur zu 60 Prozent ausgestattet. Die Aufstellung eines neuen Großverbandes ohne zusätzliche Investitionen werde diese Quote auf 55 Prozent sinken lassen. Und bisher tauche die Litauen-Brigade in den Kostenaufstellungen des Ministeriums für die kommenden Jahre gar nicht auf.
Zuletzt hatte der Verteidigungsminister überdies Unmut in den eigenen Reihen erregt, als er wiederholt anmahnte, Deutschland und die Bundeswehr müssten „kriegstüchtig“ werden. Daran nahm etwa der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, Anstoß.
Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), sagte: „Herr Pistorius koppelt sich zunehmend von seiner Fraktion ab. Und er sollte keine Luftschlösser bauen. Denn seine Anforderungen an die Bundeswehr hat der Minister weder finanziell noch personell hinterlegt. Das zeigt sich im Brief des Heeresinspekteurs.“ Otte fügte hinzu: „Herr Pistorius sollte mit seiner kriegstüchtigen Rhetorik außerdem nicht über das Ziel der Bündnisfähigkeit hinausschießen.“