Nach der desaströsen Bundestagswahl 2021 infolge von Söders offenem Machtkampf gegen den damaligen CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet steckte die CSU in der Krise. Inzwischen hat sich die Partei wieder konsolidiert und ist geschlossen. Söders Machtposition ist gefestigt wie lange nicht, offene Kritiker gibt es keine, auch unter der Hand sind kritische Stimmen kaum zu hören. Dafür sorgt auch Söders Geschlossenheits-Mantra, wonach die CSU nicht auf externe Hilfe hoffen dürfe und die Konkurrenz nur auf Fehler warte. Sollte die Rechnung aufgehen, könnten bei einem guten Wahlergebnis auch mal wieder Debatten zu Söders bundespolitischen Ambitionen laut werden.
Nach der wenig schmeichelhaften Landtagswahl 2018 hatte Söder seiner Partei zunächst einen Modernisierungskurs nach dem Motto "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit" verordnet. Dafür umarmte er Bäume und versuchte, den Grünen die Themen wegzunehmen. Dies führte - genau wie Söders anfangs extrem strikter Corona-Kurs - zu großer Unruhe in der CSU und unter den konservativen Stammwählern.
Inzwischen hat Söder daher abermals den Kurs der CSU geändert und der Partei - so sehen es auch CSU-Vorstände - wieder ein deutlich konservativeres Profil verpasst, dass manche an die Zeiten von Edmund Stoiber erinnert: Atomkraft ist salonfähig, streng geschützte Tiere wie Wolf und Otter werden sozusagen zum Abschuss freigegeben, wo immer es geht, werden Heimat und Tradition gefeiert, und auch in Sachen Migration verschärft sich wieder die Tonlage. Hinzu kommt, dass Söder - zumindest bis auf Weiteres - in Bayern eine Koalition mit den Grünen von vornherein kategorisch ausschließt. Zur Erinnerung: 2018 trafen sich CSU und Grüne nach der Wahl gar zu Sondierungsgesprächen. Die CSU muss sich aber nicht nur gegen die Grünen behaupten - auch Wählerwanderungen zu ihrem Nachteil Richtung Freie Wähler und AfD muss sie verhindern. In Summe vereinen die drei Parteien mehr als 60 Prozent der Stimmanteile auf sich.
So sehr sich die aktuell größte Oppositionspartei Bayerns in der Landespolitik abstrampelt, auch im Freistaat sind die Grünen in einem Abwärtsstrudel gefangen, der seinen Ursprung in der alles andere als glücklichen Regierungsbeteiligung im Bund hat. Dem Spitzenduo Katharina Schulze und Ludwig Hartmann gelingt es - wie der außerhalb der Partei kaum bekannten Landesspitze - nicht, sich vom Bundestrend abzusetzen. Verglichen zu ihren besten Umfrageergebnissen (25 Prozent 2020, 24 Prozent 2021) haben sie gut zehn Prozentpunkte verloren. Auch die fehlende Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung dürfte dazu beitragen, dass sich derzeit weniger Wähler vorstellen können, ihr Kreuz bei den Grünen zu machen. In der Partei hoffen daher längst viele auf die Wahl 2028 - dann könnte die jetzt 38-jährige und damit noch nicht als Regierungschefin wählbare Schulze qua Alter auf das Amt als Ministerpräsidentin schielen und so möglicherweise eine Wechselstimmung im Land befeuern, die die CSU dann mit ihrer Stammwählerpolitik nicht im Keim ersticken kann. Letzteres fürchten längst auch schon so manche in der CSU.
Entgegen aller Häme vor der Wahl 2018 haben die Freien Wähler sich in der Koalition mit der CSU nicht unterkriegen lassen. Im Gegenteil: Nicht nur in der Corona-Krise konnte die Partei von Hubert Aiwanger auch eigene Akzente setzen. Anders als 2018 gehen die Freien Wähler in die Wahl in diesem Herbst mit einer Koalitionszusage der CSU - vor fünf Jahren hatte diese sich noch lustig über Aiwangers Machtambitionen gemacht. Damit will die CSU verhindern, dass die Freien Wähler einen Wahlkampf gegen die CSU machen.
Spannend bleiben aber dennoch zwei Fragen: Sollte die CSU tatsächlich genug Stimmen für eine Alleinregierung zusammenkriegen, auch das ist denkbar, käm es zum Bruderschwur. Im Falle einer Fortsetzung der Koalition würde die Verteilung der Ministerien Spannung garantieren. Schon auf ihrem Parteitag hatte es Stimmen gegeben, die mehr Posten im Kabinett forderten, sollte das Ergebnis besser sein als 2018. Ob dies aber auch nach dem jüngsten Fauxpas von Aiwanger passiert, bleibt abzuwarten. Der Niederbayer hatte sich bei einer Demo mit Aussagen im Stile der AfD auch intern viel Kritik eingehandelt.
Es ist paradox: Obwohl die AfD in der zu Ende gehenden Wahlperiode im Landtag wie im Landesverband mit internen Streitereien auf sich aufmerksam machte, steht sie derzeit besser da als 2018. Thematisch und programmatisch ist die AfD im Stile der Bundespartei unterwegs. Am liebsten skandalisiert sie die Regierungspolitik und warnt vor dem Untergang Bayerns - sei es infolge von Klima- und Naturschutz, Zuwanderung oder steigenden Kosten für Unternehmen wie Bürger. Mit der Wahl ihrer Landtagsabgeordneten Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm zum Spitzenkandidaten-Duo vollzieht die Bayern-AfD weiter ihren Kurs nach ganz rechts. Beide werden dem offiziell aufgelösten "Flügel" zugerechnet. Vor allem Ebner-Steiner gilt als Vertraute von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke aus Thüringen.
So mancher Genosse in Bayern hatte sich wohl mehr erhofft vom Kanzlereffekt. Aber wie im Bund ist auch die Bayern-SPD in Umfragen weit weg von Höhenflügen. Landeschef Florian von Brunn gibt sich weiter kämpferisch und glaubt nach eigenem Bekunden an 15 Prozent plus X. Fakt ist aber, dass die SPD auch von der aktuellen Schwäche der Grünen nicht wirklich profitieren kann und weiter fürchten muss, am Ende zu den kleinsten Fraktionen im Landtag zu gehören.
Darüber würde sich die FDP nach aktuellem Stand schon freuen, immerhin muss sie - wie schon so oft - um den Wiedereinzug ins Maximilianeum bangen. Gerade CSU und Freie Wähler werben in der unzufriedenen Klientel der bayerischen FDP um Wechselwähler. In Summe sind die bayerischen Ampelparteien zudem nicht ansatzweise in der Lage, eine Koalition gegen die CSU zu bilden.
dp/fa