Der Haushaltsausschuss des Bundestags beschloss am Donnerstagabend einen Etat mit Ausgaben von rund 476,8 Milliarden Euro und neuen Krediten in Höhe von rund 39 Milliarden. Die Schuldenbremse soll damit nach jahrelangen Ausnahmen wieder voll greifen - vorerst. Bundestag und Bundesrat sollen Anfang Februar endgültig über den Haushalt 2024 entscheiden. Die sogenannte Bereinigungssitzung des mächtigen Haushaltsausschusses gilt jedoch schon als entscheidende Etappe auf dem Weg zur Verabschiedung im Parlament. Die wichtigsten Fragen sind nun geklärt.
"Als Koalitions-Fraktionen stellen wir trotz unterschiedlicher Blickwinkel, vor dem Hintergrund multipler Krisen und trotz einer schwierigen Ausgangssituation dieser parlamentarischen Beratungen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil einen ausgewogenen Haushalt auf", erklärten die Haushälter Dennis Rohde (SPD), Sven-Christian Kindler (Grüne) und Otto Fricke (FDP) nach der Sitzung. Klare Schwerpunkte lägen auf sozialer Gerechtigkeit, wirtschaftlichen Anreizen, Investitionen in Klimaschutz, einer Stärkung der Demokratie und auf internationalem Zusammenhalt. Gleichzeitig würden Subventionen abgebaut.
Linken-Chef Martin Schirdewan hat die Vereinbarungen der Ampel-Koalition zum Haushalt 2024 scharf kritisiert. "Die deutsche Wirtschaft kommt nicht aus der Talsohle, aber die deutsche Regierung spart und betreibt wirtschaftspolitisches Harakiri", sagte Schirdewan der Nachrichtenagentur AFP nach der Einigung am Donnerstagabend. "Anstatt in die Infrastruktur, Digitales und den klimagerechten Umbau der Wirtschaft zu investieren, versteckt sich die Ampel hinter der Schuldenbremse, die sie einfach wieder aussetzen könnte."
Die Ampel-Politik wirke "wie ein Konjunkturprogramm für Demokratiefeinde", warnte Schirdewan. "Und so schrumpft das Bruttosozialprodukt weiter, während die AfD zulegt."
Die Union blickt mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den Beschluss, wie Chefhaushälter Christian Haase sagte. "Die Themen innere und äußere Sicherheit, die für uns wichtig sind, sind wenig adressiert worden", bemängelte er nach der Sitzung. Auch zur Stimulierung der Wirtschaft werde wenig getan. Gut sei aber, dass es keinen Notlagenbeschluss und damit keine Ausnahmen von der Schuldenbremse gebe.
Eigentlich sollte der Bundeshaushalt für das laufende Jahr schon längst in trockenen Tüchern sein. Ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte November aber durchkreuzte die Pläne der Ampel-Koalition. Die Folge: Im Haushalt sowie im Fonds für Investitionen in Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft mussten Milliardenlöcher gestopft werden.
Darüber verhandelten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP wochenlang - und sie trafen heftig umstrittene Kürzungs- und Sparentscheidungen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich auf teurere Flüge und höhere Preise beim Tanken und Heizen einstellen. Die Ticketsteuer für Passagierflüge sowie der CO2-Preis auf Heizöl, Gas und Sprit sollen steigen und mehr Geld in die Staatskasse bringen.
Wegen der geplanten schrittweisen Abschaffung von Steuerentlastungen beim Agrardiesel gehen bundesweit seit Wochen Landwirte auf die Straßen. Trotz der Proteste rückte die Ampel-Koalition von diesen Plänen auch im Haushaltsausschuss nicht ab. "Die Ampel-Koalition steht zu diesem Kompromiss", sagte Grünen-Haushälter Kindler.
Bauernpräsident Joachim Rukwied drohte vor der Sitzung mit neuen weitreichenden Protesten ab Montag, sollten die geplanten Subventionskürzungen nicht zurückgenommen werden. Die bisherigen Proteste seien das "Vorbeben" gewesen, warnte er.
Mit der Bereinigungssitzung fand die Hängepartie um den Haushalt am Donnerstag ihren vorläufigen Höhepunkt. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil hatte der Haushaltsausschuss im November entschieden, den Etat 2024 zunächst nicht abschließend zu beraten. Das wurde nun nachgeholt.
In der mehr als neunstündigen Sitzung beschlossen die Haushälter noch einige Änderungen am Entwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP). Unter anderem wird es einen zuvor geplanten Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro 2024 nun nicht geben. Grund sei ein besserer Jahresabschluss im Bundesetat 2023, der finanziellen Spielraum schafft, sagten Ampel-Politiker. "Die Ampel scheint eingesehen zu haben, dass die Sozialversicherungen kein Selbstbedienungsladen sind", kommentierte Haase.
Teil des Ampel-Kompromisses sind auch Einsparungen durch verschärfte Sanktionen im Bürgergeld. Totalverweigerern, die Jobangebote ablehnen, sollen dabei für zwei Monate bis auf die Wohnkosten die Bezüge komplett gestrichen werden. Die Grünen setzten in der Endrunde der Haushaltsverhandlungen durch, dass diese Verschärfung nur zwei Jahre lang gilt und dann ohne neue Entscheidung automatisch ausläuft.
Um die Bauwirtschaft anzukurbeln, will die Koalition in den nächsten Jahren eine Milliarde Euro zusätzlich in den klimafreundlichen Neubau investieren.
Aus den Überschüssen des Etats 2023 sollen auch Hilfen über 2,7 Milliarden für Opfer der Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal finanziert werden. Zunächst hatte sich die Koalition die Option offengehalten, für diese Gelder erneut eine Notlage zu erklären und die Schuldenbremse auszusetzen. Das sei nun nicht nötig, hieß es.
Doch ganz sicher ist noch nicht, dass die Schuldenbremse nach mehreren Jahren mit Ausnahmen 2024 wieder eingehalten wird. SPD, Grüne und FDP haben vereinbart: Sollte später im Jahr mehr Geld zur Unterstützung der Ukraine nötig werden - zum Beispiel, weil US-Hilfen ausfallen - könnte man doch zusätzliche Kredite genehmigen.
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht nur eine eng begrenzte Nettokreditaufnahme vor. Im Fall von Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notlagen kann sie aber ausgesetzt werden, wenn die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt wird.
Die Ergebnisse der Ausschussberatungen wollen die Fraktionen am Freitag in mehreren Pressekonferenzen erläutern. Der Haushaltsentwurf soll Anfang Februar vom Bundestag verabschiedet werden. Am 2. Februar könnte sich auch der Bundesrat damit befassen.