Der Begriff "Skimpflation" ist aus dem englischen Wort "skimp" für knausern oder einsparen und "Inflation" für Teuerung zusammengesetzt. Auch wenn sich finanzielle Effekte nicht konkret beziffern ließen, dürften sich Hersteller mit solchen Rezeptur-Änderungen teils kräftige Einsparungen sichern, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Wenn beispielsweise bei einem Rahmspinat statt 88 Prozent Spinat nur noch 67 Prozent in der Packung sind und stattdessen mit Wasser aufgefüllt wird, ist das auf jeden Fall eine riesige Kostenersparnis, weil Spinat mit Abstand die teuerste Zutat ist."
Ähnliche Beispiele kennt der Experte bei Margarine: Eine bekannte Marke enthalte nun statt der für Margarine vorgeschriebenen 80 Prozent Fett nur noch 60 Prozent - und stattdessen mehr Wasser. "Bei den tausenden Tonnen Jahresproduktion macht das viel aus", sagt Valet. "Orientiert an den Weltmarktpreisen von Pflanzenöl kann das durchaus in die Hunderttausende gehen, vielleicht auch noch mehr. Das ist aber nur eine ganz grobe Schätzung." Bei marginalen Rezepturänderungen dürfte die Ersparnis entsprechend geringer ausfallen. Über die sogenannte Shrinkflation - also Produktpackungen mit weniger Inhalt, die zum gleichen Preis angeboten werden - könnten die Hersteller noch mehr einsparen zum Nachteil für Verbraucher.
Aber nicht nur das Portemonnaie der Verbraucher ist betroffen, schlechtere Rezepturen können auch an die Gesundheit gehen. "Wenn zum Beispiel Sonnenblumenöl durch Palmöl ersetzt wird, enthält das Lebensmittel mehr gesättigte Fettsäuren", sagt eine Sprecherin der Verbraucherorganisation Foodwatch. Auch der Ersatz hochwertiger Zutaten durch Zucker sei gesundheitlich problematisch. Die Hersteller sollten transparent über Rezeptur-Änderungen informieren - und falls sie minderwertige Zutaten verwenden, auch den Preis senken, so die Sprecherin. Es könne nicht sein, dass die Verbraucher, die derzeit ohnehin schon beim Einkaufen tiefer in die Tasche greifen müssten, auch noch schlechtere Qualität erhielten – "während Hersteller dabei zusätzliche Gewinne einfahren".
Die Möglichkeiten, dagegen vorzugehen, sind allerdings begrenzt, wie Valet deutlich macht. Hersteller müssten die Zutatenlisten bei Rezepturänderungen zwar anpassen, aber nicht konkret benennen, was geändert worden sei. Zwar müsse in manchen Fällen noch zusätzlich die Produktbezeichnung geändert werden, und Margarine etwa heiße dann im Kleingedruckten "Streichfett", weil sie nicht mehr genügend Fett enthält. Doch damit hätten die Hersteller die Vorgaben schon erfüllt. Teils stehe dann auch "neue Rezeptur" auf den Packungen - doch was genau neu ist, sei nicht ersichtlich oder nur dann, wenn es tatsächlich zu einer Verbesserung gekommen sei, sagt Valet. Und wieder andere Hersteller scheuten sich nicht einmal, den Verbrauchern eine Verschlechterung als "bessere Rezeptur" zu verkaufen.
Auch wenn das Problem verbreitet sei, gebe es nur vereinzelt Beschwerden und wenn, dann häufig unkonkret, sagt der Experte. "Skimpflation ist für Verbraucherinnen oder Verbraucher extrem schwer herauszufinden, nochmals deutlich schwieriger als bei Shrinkflation." Valet vermutet, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Dagegen helfe nur, dass sich die Kunden gut informieren und bei Fertigprodukten genau auf die Inhaltsstoffe schauen. Wünschenswert wäre aber eine bessere Kennzeichnung zu Rezeptur-Änderungen, fordert Valet.
Auch Lebensmittelkontrolleure sehen nur begrenzte Möglichkeiten. "Wir können nur tätig werden, wenn Verstöße durch Irreführung und Täuschung offensichtlich vermutet werden", sagt Maik Maschke, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands. Häufig erhalte man nur durch Dritte Informationen, dass "Verbraucher sich im Lebensmitteleinzelhandel am Regal aufregen über die geschrumpfte Größe der Verpackung, den gestiegenen Preis und sinkende Qualität der Produkte." Gelangten solche Beschwerden der amtlichen Lebensmittelüberwachung zur Kenntnis, werde auch diesen nachgegangen. Dann würden auch Proben des Lebensmittels entnommen.
Bei Untersuchungen im Labor könne es jedoch nicht um die Preise der Produkte gehen, sondern nur um eine korrekte Kennzeichnung der Inhaltsstoffe sowie um einen Abgleich der Mengenangaben auf der Packung mit dem tatsächlichen Inhalt. "Es ist jedoch nicht unüblich, dass Lebensmittelhersteller die Rezeptur ändern", sagt Maschke. Dies sei auch auf Störungen in Lieferketten zurückzuführen etwa wegen knapper Lebensmittel durch den Ukrainekrieg oder die Corona-Pandemie.