Die documenta fifteen im vergangenen Jahr war von einem Antisemitismus-Eklat überschattet worden. Auch um die kommende documenta im Jahr 2027 gab es kürzlich Wirbel. Nach erneuten Antisemitismus-Vorwürfen gegen ein Mitglied der Findungskommission für die 16. Ausgabe der Ausstellung war kürzlich zunächst dieses Mitglied und später die gesamte Findungskommission zurückgetreten. Die documenta gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst.
Die Empfehlungen betreffen die Führungsstruktur ebenso wie die Ablauf- und Aufbauorganisation, wie die documenta gGmbH mitteilte. "Ziel der Organisationsentwicklung ist die Etablierung von wirkungsvollen Maßnahmen gegen Antisemitismus und andere Formen gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit bei vollständigem Schutz der Kunstfreiheit sowie die Erhöhung der Krisenresilienz und der Zukunftsfähigkeit der gemeinnützigen documenta und Museum Fridericianum GmbH", hieß es.
Die Ereignisse auf der documenta 15 hätten gezeigt, dass die Organisation der weltweit bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst nicht über die geeigneten Instrumente, Strukturen und Verfahren verfügt habe, um der Situation adäquat zu begegnen, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende, Kassels Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne), laut Mitteilung. Für die Zukunft der Schau sei von zentraler Bedeutung, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen.
Die zuständigen Gremien der documenta würden daher "mit größter Umsicht dafür Sorge tragen, klare organisatorische Rahmenbedingungen für künftige Ausstellungen zu beschließen, die die Gewährleistung künstlerischer Freiheit für Kuratorium, sowie Künstlerinnen und Künstler unmissverständlich garantieren und gleichzeitig wirksame und effektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus implementieren." Hierfür biete der Abschlussbericht eine hervorragende Grundlage.
"Sobald die Gremien der documenta abschließend über die Empfehlungen der Organisationsuntersuchung beschlossen haben, wird der Findungsprozess für eine Künstlerische Leitung neu gestartet", kündigte Schoeller an. Dies sei für das erste Quartal 2024 vorgesehen.
Zu den Empfehlungen zählt die Beibehaltung der Findungskommission mit Anpassungen sowie die Implementierung zweier Verhaltenskodexe, die den Schutz der Menschenwürde sowie der Kunstfreiheit gewährleisten sollen. Ferner raten die Verfasser des Berichtes, den Aufsichtsrat als Hauptgremium für die Überwachung zu betonen und zugleich von neun auf fünf Mitglieder zu verkleinern. Der Bund solle in dem Gremium einen stimmberechtigten Sitz erhalten. Gesellschafter soll er den Vorschlägen zufolge aber nicht werden. Entsprechende Forderungen waren im Zuge des Antisemitismus-Eklats im vergangenen Jahr aufgekommen.
Der Bund ist derzeit im Aufsichtsrat nicht vertreten. Die Bundeskulturstiftung hatte sich 2018 aus dem Gremium zurückgezogen, fördert die Schau aber weiterhin mit 3,5 Millionen Euro.
"Die Gesellschaftsstruktur der gGmbH soll den Empfehlungen zufolge unverändert 50 Prozent Stadt Kassel und 50 Prozent Land Hessen bleiben", heißt es in dem Abschlussbericht dazu. Nach aktuellem Informationsstand gebe es keinen eindeutigen, starken Bedarf für eine Mitträgerschaft des Bundes, der angesichts der hohen politischen und verwaltungstechnischen Hürden gerechtfertigt wäre.
Darüber hinaus rät die Unternehmensberatung, einen wissenschaftlichen Beirat einzuführen. Er soll demnach aus sechs oder neun Personen aus dem künstlerisch-kuratorischen Bereich bestehen, die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat beraten und stimmberechtigt im Aufsichtsrat vertreten sein. Den Vorsitzenden des Gremiums solle der Bund bestimmen.
Empfohlen wird ferner eine "klare und verbindliche Aufgabenteilung zwischen Geschäftsführung und Künstlerischer Leitung der Ausstellung", die Entwicklung eines neuen und eindeutigen Organigramms der gGmbH sowie eine "eindeutige Definition eines sogenannten "Management Boards" bestehend aus Geschäftsführung, Künstlerischer Leitung und den Mitgliedern der zweiten Führungsebene".