Und wenn der russische Präsident am Dienstag seinen ersten Auslandsbesuch seit dem internationalen Haftbefehl absolviert, dann scheint es tatsächlich so, dass derzeit zwischen Peking und Moskau politisch kein Blatt Papier mehr passt. Anlass für Putins Reise ist das "Belt and Road"-Forum in Peking, das am 17. Oktober vom chinesischen Staatschef Xi Jinping mit einer Rede eröffnet wird. Die Veranstaltung, bei der über 130 Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertreter vornehmlich aus dem globalen Süden erwartet werden, gilt als Chinas wichtigstes Diplomatie-Event des Jahres.
Vor allem aber ist sie überaus intransparent: Seit Wochen bereits versucht die ausländische Presse, konkrete Details in Erfahrung zu bringen. Doch selbst am Montag wiederholt Sprecherin Mao Ning bei der täglichen Pressekonferenz ihre immer gleiche Antwort: "Wir werden die Informationen zu gegebener Zeit veröffentlichen". Bis Redaktionsschluss ist weder ein detailliertes Programm des "Belt and Road Forum" bekannt, noch die genaue Gästeliste.
Auch bei der vor zehn Jahren von Xi Jinping vorgestellten "Belt and Road"-Initiative (BRI) sind sich Fachleute bis heute uneinig, worum es überhaupt geht. Fakt ist: In den letzten zehn Jahren hat die Volksrepublik China laut Schätzungen rund eine Billion Dollar in die Infrastruktur etlicher Staaten investiert. Ziel dahinter ist es, neue Absatzmärkte zu erschließen, Lieferketten zu sichern und auch politischen Einfluss auszubauen.
Nicht zuletzt dürfte die BRI aber auch einen ganz pragmatischen Ursprung haben: Seit der Jahrtausendwende haben Chinas Staatsunternehmen in atemberaubender Geschwindigkeit die Zugnetze, Autobahnen und Brücken des Landes modernisiert. Es entstand eine riesige Industrie, die schlussendlich jedoch nur noch wenig Bedarf im Inland vorfand – und folglich damit begann, ihre überschüssigen Kapazitäten ins Ausland zu exportieren.
Seither haben die Chinesen hunderte Häfen, Flughäfen und Hochgeschwindigkeitszugverbindungen in Afrika, Zentralasien und Nahost errichtet. Dabei gewährte die Volksrepublik auch jenen Staaten Kredite, die von westlichen Banken wegen hoher Risiken und Menschenrechtsverstößen gemieden wurden.
Die BRI ist also eine riskante Wette in die Zukunft: Insbesondere seit der Pandemie sind viele Staaten in Zahlungsrückstand geraten, was die Schulden und auch Abhängigkeit gegenüber China bedrohlich erhöht hat. Die Regierung Sri Lankas etwa musste ihren Hafen Hambantota unlängst für 99 Jahre an die Volksrepublik verpachten.
Zuletzt hatte Chinas Propagandaapparat auch im Inland die Lobhudelei über die BRI merklich zurückgefahren. Denn nach drei Jahren Null-Covid-Politik, welche die Kassen der Privathaushalte und Lokalregierungen geleert haben, ist auch die Bereitschaft der eigenen Bevölkerung massiv gesunken, Unsummen chinesischer Steuergelder in den globalen Süden zu investieren.
Als einzige G7-Nation ist bislang die italienische Regierung der "Belt and Road"-Initiative beigetreten. Doch der symbolische Propagandasieg der Chinesen hat den Italienern keinen wirtschaftlichen Nutzen gebracht. Der Handel zwischen den zwei Staaten ist deutlich langsamer gestiegen als etwa zwischen China und Deutschland, das kein BRI-Mitglied ist. verdreifacht", sagte Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto im Juli. Wenig überraschend hat Rom unlängst seinen Willen verkündet, aus dem Deal wieder auszusteigen.
Doch beim BRI-Forum geht es Peking vor allem auch darum, sich auf der internationalen Bühne zu präsentieren. Xi Jinping verfolgt als erster chinesischer Staatschef klar formulierte außenpolitische Interessen. Die "multipolare Weltordnung", die der 70-Jährige propagiert, möchte vor allem die von den USA angeführte Weltordnung des Westens durchbrechen.
Dementsprechend lassen sich dieser Tage nur wenige europäische Regierungen in Peking blicken. Die autoritären Staaten hingegen sind zahlreich verblieben. Neben Putin und seinem Außenminister Sergei Lawrow kommen unter anderem auch die afghanischen Taliban. Es scheint, als könnte die Volksrepublik China die Islamisten schon bald offiziell als Staat anerkennen. "Die Teilnahme der Taliban an Chinas ‚Belt and Road‘-Forum verrät viel über Chinas Herangehensweise an die Weltordnung", kommentiert Geopolitikexpertin Sari Arho Havrén mit Sitz in Brüssel. Dabei würden Menschenrechte ignoriert, wie die Finnin auf X, vormals Twitter schreibt: "Warum nicht als Nächstes die Hamas einladen?".