Der überraschende Wahlsieg der Einwanderungsgegner-Partei Alternative für Deutschland (AfD) bei der Landtagswahl in Thüringen hat Besorgnis ausgelöst. Die Partei erzielte am Sonntag 33 Prozent der Stimmen und spiegelte damit eine wachsende Verhärtung der politischen Haltung wider, die laut Experten neue Gefahren für die demokratische Kultur und das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus mit sich bringen könnte.
Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald, äußerte sich am Montag besorgt und deprimiert über die Wahlergebnisse. Wagner, dessen Stiftung die Gedenkstätte Buchenwald betreibt, sieht den Aufstieg der AfD als besorgniserregenden Trend, der möglicherweise zu einer Verschärfung des extremistischen Drucks führen könnte. "Meine Kollegen und ich sind seit Sonntagabend beunruhigt", erklärte Wagner in einem Interview.
Wagner verwies auf eine Zunahme von Angriffen in sozialen Netzwerken und vor Ort. In den letzten Jahren sei die Gedenkstätte Buchenwald mehrfach Ziel von Vandalismus geworden. Unter anderem wurden Hakenkreuz-Graffiti auf dem Gelände entdeckt, und die Täter fällten Bäume, die zum Gedenken an die Überlebenden des Konzentrationslagers gepflanzt worden waren. Diese Vorfälle, zusammen mit dem kürzlichen Eintrag eines Nazi-Symbols in das Gästebuch der Gedenkstätte, zeigen eine beunruhigende Entwicklung.
Besonders alarmierend ist Wagner zufolge die Tatsache, dass die AfD, unter der Führung des ehemaligen Geschichtslehrers Björn Höcke, eine klare Linie gegen die deutsche Nachkriegskultur und die Erinnerungskultur zieht. Höcke, der 2017 mit seiner Bezeichnung des Holocaust-Mahnmals in Berlin als "Denkmal der Schande" für Empörung sorgte, ist eine zentrale Figur in der Partei, die sich gegen Multikulturalismus und Umweltschutz wendet und Geschichtsrevisionismus betreibt.
Wagner fürchtet, dass die im Landtag vertretene AfD möglicherweise versuchen könnte, die Mittel für die Gedenkstätte Buchenwald zu kürzen, die zur Hälfte vom Land finanziert wird. Eine Reduzierung der Mittel könnte zu einer Einschränkung des Führungsangebots und der Bildungsarbeit der Gedenkstätte führen, warnte Wagner.
Er wies darauf hin, dass die Gedenkstätte möglicherweise gezwungen sein könnte, moderne Kommunikationsmittel wie soziale Medien einzusetzen, um ihre Botschaft zu verbreiten und die Öffentlichkeit weiterhin über die Geschichte und die Bedeutung des Ortes aufzuklären. "Vielleicht müssen wir wieder eine Polizeiwache installieren, wie es in den 1990er Jahren der Fall war, als der Rechtsextremismus in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung aufflammte", fügte Wagner hinzu.
Neben Wagner haben auch andere Stimmen besorgt auf den Wahlausgang reagiert. Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen die extreme Rechte engagiert, kritisierte die AfD und insbesondere Höcke für ihre Verharmlosung der NS-Verbrechen und die Verbreitung nationalsozialistischer Symbole und Ideologien. "Indem Björn Höcke den Holocaust verharmlost, leugnet er zugleich die Grundlagen der deutschen Demokratie", so Blumenthaler.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte ebenfalls Besorgnis über die veränderte Stimmung in der Gesellschaft. Am Montag, dem zehnten Jahrestag der Errichtung eines Denkmals für behinderte Opfer des Nationalsozialismus, wies Steinmeier darauf hin, dass es politische Kräfte gebe, die die NS-Verbrechen anfechten, relativieren oder verharmlosen. "Wir schämen uns zutiefst darüber", sagte Steinmeier.
Die kommenden Monate könnten entscheidend dafür sein, wie sich die politische Landschaft in Thüringen und darüber hinaus entwickeln wird. Die Gedenkstätten, die sich dem Erbe der Opfer des Nationalsozialismus widmen, stehen möglicherweise vor neuen Herausforderungen, während die Gesellschaft weiterhin gegen die Verbreitung extremistischer Ideologien und Geschichtsrevisionismus kämpft.
Quellen: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Zeit