Die Finanzfragen seien bis 2025 zwischen der Ministerpräsidentenkonferenz und dem Bund geklärt, so Wissing mit Blick auf die aktuelle Debatte um die Finanzierung des Deutschlandtickets. Seit 1. Mai kann das für 49 Euro pro Monat erhältliche Ticket verwendet werden - als digital buchbares, monatlich kündbares Abonnement, das im Nahverkehr in ganz Deutschland gilt. Die Kosten wollen Bund und Länder je zur Hälfte tragen. Vom Bund kommen von 2023 bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro. Die Länder wollen ebenso viel aufbringen. Auch mögliche Mehrkosten sollen im ersten Jahr hälftig geteilt werden. Gerungen wird nun um die Aufteilung möglicher Mehrkosten in den Folgejahren.
Wissing hatte deutlich gemacht, dass er eine höhere Kostenbeteiligung des Bundes ablehnt. "Der Bund hat viel Geld für das Deutschlandticket in die Hand genommen und wir haben auch die Regionalisierungsmittel erhöht", hatte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt. Seiner Ansicht nach müssten die Länder jetzt zunächst bei den Verkehrsverbünden und den Vertriebskosten sparen. Länderverkehrsminister hatten Wissings Aussagen kritisiert.
Bund, Länder und Kommunen verhandeln derzeit über einen "Ausbau- und Modernisierungspakt" für den Öffentlichen Personennahverkehr. Zum Finanzbedarf im ÖPNV bis 2031 hatte das Bundesverkehrsministerium kürzlich eine Studie erarbeiten lassen - der Kurzbericht, über den zuerst der "Spiegel" berichtet hatte. Demnach sind mittel- und langfristig zusätzliche Milliarden notwendig.
"Obwohl auch das Angebot Sache der Länder ist, helfen wir. Von Bundesseite kann ich heute sagen: Bis 2031 werden wir allein über 110 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel für den ÖPNV zur Verfügung stellen", so Wissing. Dies ist nach Ministeriumsangaben mehr als die Hälfte des prognostizierten ÖPNV-Finanzbedarfs. "In den kommenden Wochen und Monaten gilt es nun zu klären, wie sich Länder und Kommunen an der Ausweitung des Angebots beteiligen und wir dabei auch mal unkonventionelle Vorschläge prüfen", sagte Wissing.
In der Studie des Beratungsunternehmens Ramboll wurde auch der Finanzbedarf einer ergänzenden "Mobilitätsgarantie" in Deutschland untersucht, um die Daseinsvorsorgefunktion des ÖPNV zu stärken - unter folgenden Prämissen: Den Bürgern werde garantiert, mit dem ÖPNV unabhängig vom Wohnort mobil sein zu können, und zwar montags bis freitags im Stundentakt von 6 bis 21 Uhr, samstags und sonntags im 2-Stundentakt.
Abseits der Bahnlinien und bei "Fahrplanlücken" würden landesweite Taktbusse und Rufbusse eingeführt. So würden Rufbusse bedarfsgesteuert im fahrplanfreien Flächenbetrieb verkehren nach dem Motto: "Wenn weder Bahn noch Bus verkehren, fährt der Rufbus". Es seien jährliche Kosten für eine Mobilitätsgarantie in Deutschland in Höhe von 718 Millionen Euro zu erwarten. Die Kosten ließen sich absenken, wenn eine Mobilitätsgarantie an "institutionelle Reformen" geknüpft würde, heißt es im Kurzbericht. Hierzu zähle eine "Flexibilisierung der Schulanfangszeiten" sowie die Verzahnung der bis dato "abgeschotteten Bedarfsverkehrssysteme" mit der Taxi- und Mietwagenbranche.
Thomas Petersen, Studienleiter bei Ramboll, sagte: "Der größte Druck bezogen auf Personal-, Fahrzeug und Kapitaleinsatz wird während der Spitzenlasten erzeugt. Gerade im ländlichen Raum ist das eine extreme Herausforderung für Verkehrsunternehmen, weil sie zum Schulstart am Morgen sehr viele Schüler befördern müssen." Die Fahrzeuge inklusive Fahrer seien dann aber den restlichen Tag nicht in gleichem Maße ausgelastet. "Durch eine Flexibilisierung des Unterrichtbeginns könnte zumindest diese Situation entzerrt und die Kosten auf kommunaler Seite gesenkt werden."
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