"Ich halte die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen für unumgänglich", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD). Der Krieg mache es unmöglich, faire und freie demokratische Wahlen abzuhalten.
"Die zivile Infrastruktur wird tagtäglich von Russland bombardiert, und viele Ukrainerinnen und Ukrainer leben unter russischer Besatzung oder sind ins Ausland geflohen", so Roth. "Das sollte uns als weiterer Ansporn gelten, die Ukraine bestmöglich zu unterstützen, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden." Sobald Wahlen auf dem Staatsgebiet der Ukraine wieder in Sicherheit möglich seien, sollten sie allerdings unbedingt stattfinden, betonte der SPD-Politiker – und verwies zum Vergleich auf die Bundesrepublik, die ganz ähnliche Regelungen vorsehe: "Auch das deutsche Grundgesetz sieht vor, dass Neuwahlen des Bundespräsidenten und Bundestages erst nach Beendigung eines Verteidigungsfalles stattfinden."
Darauf verwies auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Zudem unterstützte auch die FDP-Politikerin Selenskyjs angekündigte Verschiebung: "Druck auf die Ukraine hinsichtlich der nationalen Wahlen auszuüben ist geradezu absurd", sagte sie. "Dieses Land befindet sich in einem brutalen Krieg gegen den alleinigen Aggressor Russland. Statt kluger Ratschläge müssen wir der Ukraine vielmehr alles an Unterstützung liefern, was wir können – zuallererst Taurus.
Selenskyj hatte in seiner Videobotschaft an die Nation am Montagabend gesagt, dass Wahlen "jetzt nicht angebracht sind" und "politische Spalterei" für das angegriffene Land bedeute würden, das gerade "andere Herausforderungen bewältigen müsse". Die Ressourcen des Staates und der Ukrainer sollten vielmehr auf "unseren Sieg" über Russland gerichtet werden, so Selenskyj.
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte, er persönlich "hätte für eine Verschiebung großes Verständnis". Röttgen wies allerdings auf demokratische Spielregeln hin: "Ob es aufgrund des Krieges zu einer Verschiebung der Wahlen in der Ukraine kommt, ist allein eine ukrainische Entscheidung. Sie sollte nicht ohne Einbeziehung der Opposition getroffen werden."
SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner erinnerte zudem an die laufende Bewerbung der Ukraine um einen EU-Beitritt, für den regelmäßige demokratische Wahlen Grundvoraussetzung seien. "Präsidentschaftswahlen mitten in Kriegszeiten sind zweifellos hochgradig problematisch", sagte Stegner. Insofern sei die Einschätzung des ukrainischen Präsidenten sicher nachvollziehbar. "Andererseits ist ein Kriegsende überhaupt nicht in Sicht, und insofern kann das kaum als Dauerlösung dienen, zumal das die inneren Reformprozesse in der Ukraine zum Beispiel mit Blick auf eine EU-Mitgliedschaft eher nicht begünstigen wird", erklärte der frühere SPD-Bundesvize.
Der Vorsitzende des Europaausschusses, Anton Hofreiter (Grüne), würde eine Verschiebung der Präsidentenwahl in der Ukraine nicht als Hindernis für den Beitrittsprozess sehen. "Während eines Krieges ist eine Wahl schwer zu organisieren und ein Wahlkampf kaum möglich", sagte er. "Wichtig ist, dass die Wahl zu Friedenszeiten nachgeholt wird."