Die Äußerungen von Herrn Blinken lösten heftige Kritik aus Peking aus, das jede Unterstützungsbekundung für Taiwan als Legitimitätsverleihung für einen Kandidaten und eine politische Partei ansieht, die es als eine Bande von Separatisten ansieht, die darauf hofft, Taiwan in eine unabhängige souveräne Nation zu verwandeln. In einer Erklärung sagte das chinesische Außenministerium, dass die Glückwünsche von Blinken gegen das Versprechen der USA verstoßen hätten, "nur kulturelle, kommerzielle und andere inoffizielle Beziehungen" zu Taiwan zu unterhalten.
In Taiwan haben unterdessen die noch amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen und ihr frisch gewählter Nachfolger William Lai eine inoffizielle Delegation aus den USA jeweils zu getrennten Gesprächen empfangen. Der Besuch kurz nach der Abstimmung sei von "großer Bedeutung", sagte Tsai am Montag in Taipeh. Dies hebe die felsenfeste Partnerschaft zwischen beiden Ländern hervor.
Die Delegation mit den beiden früheren US-Regierungsbeamten Stephen Hadley und James Steinberg war am Samstag in Taipeh eingetroffen. "Wir freuen uns, die US-Taiwan-Beziehung unter der neuen Regierung fortzuführen und zusammen Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße zu wahren", sagte der frühere US-Sicherheitsberater Hadley. Die Kommunistischen Partei in China hatte gegen den Besuch protestiert.
Am Samstag hatte Lai, der für Tsais china-kritische Demokratische Fortschrittspartei (DPP) antrat, die Präsidentschaftswahl in Taiwan gewonnen. Im Parlament verlor die Partei jedoch die absolute Mehrheit. Die Fortschrittspartei konnte als erste Partei Taiwans seit 1996 eine dritte Amtszeit erringen. Der Wahlsieg Lais gilt als Rückschlag für Peking, denn die Partei steht für eine Unabhängigkeit Taiwans, auch wenn Lai diese nicht offiziell erklären will.
Nach dem Gespräch mit der Präsidentin trafen die beiden US-Amerikaner auch Lai und seine Nummer zwei, Hsiao Bi-khim, die früher als Taiwans Gesandte in den USA arbeitete. Der bisherige Vizepräsident Lai sagte den Gästen, dass er das Land weiter auf der von Tsai errichteten politischen Grundlage regieren werde. "Wir hoffen, dass die USA Taiwan weiter unterstützen werden", sagte der 64-Jährige.
China sieht die Insel mit mehr als 23 Millionen Einwohnern als Teil seines Territoriums, obwohl Taiwan seit Jahrzehnten eine unabhängige und demokratisch gewählte Regierung hat. Unter Verweis auf das sogenannte Ein-China-Prinzip verlangt Peking, dass andere Staaten keinen offiziellen politischen Austausch mit Taipeh pflegen. Nur sehr wenige Staaten haben Taiwan deswegen überhaupt anerkannt.
China will die "Wiedervereinigung", notfalls auch mit militärischen Mitteln. In der für die Schifffahrt wichtigen Meerenge zwischen beiden Staaten schickt die Volksbefreiungsarmee seit Monaten fast täglich Kampfflieger in Richtung Taiwan. Die Lage ist angespannt. Die USA haben Taiwan im Konfliktfall ihre Hilfe zugesichert.
Weniger als 48 Stunden nach der Präsidentschaftswahl in Taiwan hat Nauru die diplomatische Anerkennung von Taiwan auf China übertragen. In einer Erklärung sagte die Regierung des kleinen Inselstaates in Mikronesien nordöstlich von Australien, sie habe beschlossen, die Volksrepublik China anzuerkennen und strebe die Wiederaufnahme vollständiger diplomatischer Beziehungen "im besten Interesse der Republik und des Volkes" an.
Nauru gehört zu den kleinsten Ländern der Welt. Die Insel mit 11 500 Einwohnern liegt etwa 5600 Kilometer südöstlich von Taiwan. Die chinesische Regierung begrüßte Naurus Umdenken. Die Entscheidung zeige, "dass das Ein-China-Prinzip dem Willen des Volkes und dem Trend der Zeit entspricht", hieß es aus dem Außenministerium in Peking. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte, es "begrüße" die Entscheidung und dass sie "ein neues Kapitel in den bilateralen Beziehungen mit Nauru auf der Grundlage des Ein-China-Prinzips" markieren würde.
Taiwans Vize-Außenminister Tien sagte, China habe Politiker der Pazifikinsel zu dem diplomatischen Wechsel verleitet, indem Peking wirtschaftliche Unterstützung angeboten habe. Taipeh sieht in dem Manöver auch einen Angriff auf die Demokratie Taiwans. Nach dem Abbruch mit Nauru wird Taiwan nunmehr noch von zwölf Staaten, darunter der Vatikan, als souveränes Land anerkannt. Nauru hatte im Juli 2002 seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan schon einmal abgebrochen. 2005 entschied sich die Insel jedoch wieder um, nachdem China seine Versprechungen, das Land zu unterstützen, nicht eingehalten hatte.