Olaf Scholz bietet den Regierenden in den Ländern und Kommunen sowie der jeweils demokratischen Opposition an, Deutschland gemeinsam schnellstmöglich auf Vordermann zu bringen. Das hört sich gut an. Da sich in seiner Liste der Herausforderungen aber einiges wiederfindet, woran die Bundesregierung bisher gescheitert ist, kann man die Handreichung auch als dringende Bitte um Unterstützung verstehen. Das ist ein mutiger Schritt. Und er ist bitter nötig. Doch der Weg wird steinig.
Noch erscheint unklar, wie Scholz diesen Pakt aufsetzen will. Wenn von der Bundesministerin bis zum Bürgermeister alle demokratischen Parteien zusammenfinden sollen, müssen sie an irgendeinen riesengroßen Tisch gebracht werden. Und natürlich kann Scholz dann nicht alleine die Agenda bestimmen. Die Union, die im Bundestag etwas überrumpelt wirkte, reagierte ad hoc mit einem "Ja, aber." Sie will wohl mitmachen, aber zuerst müsse dann über die Flüchtlingskrise gesprochen werden. Scholz kann nicht erwarten, dass alle abnicken, was er vorschlägt. Es werden heikle Fragen geklärt werden müssen, wer was bezahlt. Und der Unmut aller Orten, dass so viel im Argen liegt, geht auch mit Scholz nach Hause, der immerhin Finanzminister war, bevor er Bundeskanzler wurde.
Scholz greift den Ärger der Bürgerinnen und Bürger über die "Jahre des Stillstands" im Land auf, den "Mehltau", der die Wirtschaft lähmt. Er berichtet über den "Frust" der Menschen, die einfach nur wollten, dass Deutschland wieder ordentlich funktioniert. Er ist wahrhaftig nicht für alles verantwortlich. Er kann persönlich nichts dafür, wenn die Bahn zu spät kommt oder man seinen Führerschein nicht online beantragen kann. Aber wer, wenn nicht der Bundeskanzler und seine Regierung haben es in der Hand, in vielen Fällen Abhilfe zu schaffen und zumindest kraftvoll voranzugehen. Die Koalition aber streitet munter vor sich hin. Und davon haben die Menschen die Nase voll.
Es ist keine Offenbarung, wenn nun bürokratische Hürden für den Bau von Wohnungen und Häusern abgebaut und Straßen, Brücken und Schienen schneller erneuert werden sollen. Das wollen doch alle schon lange. Die SPD selbst hat ihr Wahlversprechen zum Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr gerissen. Und es war ihr auch schon bei Amtsübernahme klar, dass sie das unter den gegebenen Vorschriften nicht schaffen wird.
Ob der Deutschland-Pakt gelingen wird, hängt nicht nur davon ab, wie gut sich die Union als Oppositionskraft einbringen will. Für sie ist das eine Gratwanderung. Es ist auch entscheidend, wie Scholz sich ihr gegenüber verhält. Es ist auch nicht dienlich, wenn der Bundeskanzler dem Unions-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz in der Bundestagsdebatte "Popanze" vorhält. Merz hat sehr wunde Punkte angesprochen: Die Bundesregierung vernachlässigt weiterhin das Nato-Ziel für die Höhe der Verteidigungsausgaben und die steigenden Gesamtleistungen für Bürgergeld-Empfänger frustrieren jene Menschen, die mit einer harten 40-Stundenwoche auf nicht sehr viel mehr Geld im Monat kommen. Davor darf die Ampel nicht die Augen verschließen.
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