"Wir werden dafür sorgen, dass viel weniger Menschen in die Praxen kommen müssen, dass entbürokratisiert wird und dass die Praxis auch attraktiver werden wird als Arbeitsort", sagte der Gesundheitsminister weiter. Er kündigte an, das entsprechende Gesetz noch im Januar vorzulegen. Die Verbesserungen will Lauterbach bei dem Krisentreffen mit Vertreterinnen und Vertretern der niedergelassenen Ärzteschaft und der Krankenkassen an diesem Dienstag in Berlin erörtern.
Konkrete Schritte zur Entlastung von Praxen laufen bereits an oder stehen kurz bevor: "Bisher sind die Praxen überfüllt, weil viele Patienten in die Praxis kommen, um ein Rezept verlängern zu lassen oder eine Krankschreibung zu bekommen", sagte Lauterbach. Das gehe bald telefonisch, die E-Rezepte könnten seit Jahresbeginn genutzt werden. "Und die elektronische Patientenakte wird kommen."
Der Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier, hatte vorab gemahnt, es dürfe nicht bei Absichtserklärungen bleiben. Ohne konkrete gesetzgeberische Schritte in den kommenden Wochen und Monaten drohe sich die Situation zuzuspitzen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Konkret bedeutet das, dass immer mehr Patientinnen und Patienten keine Hausarztpraxis mehr finden, die sie noch aufnehmen kann und gleichzeitig die Wartezeiten immer länger werden." Das Krisentreffen bei Lauterbach müsse ein Wendepunkt gegen ein drohendes Wegbrechen der hausärztlichen Versorgung sein.
Zuletzt hatten Ärzteverbände dazu aufgerufen, Praxen bundesweit zwischen den Jahren geschlossen zu halten. Die Proteste fanden als Teil einer Kampagne unter dem Motto "Praxis in Not" statt. Bereits an einem Brückentag im Oktober waren viele Arztpraxen aus Protest geschlossen geblieben. Kritiker hatten den Medizinern vorgeworfen, ihrem Unmut auf Kosten der Patientinnen und Patienten Luft zu machen. So müssten Ärzte der Notfallversorgung beispielsweise im Krankenhaus einspringen, wenn den Patienten im Akutfall keine offene Praxis zur Verfügung stehe.
Beier forderte, dass die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung nun tatsächlich kommen müsse. "Damit wäre sichergestellt, dass die Hausarztpraxen endlich auch für alle Leistungen bezahlt werden, die sie erbringen." Dies sei heute nicht überall der Fall. "Hier ist die Geduld der hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen langsam am Ende." Die Ampelkoalition hatte in ihrem Koalitionsvertrag versprochen: "Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf." Der auch bei anderen Arztgruppen existierende Deckel bei der Bezahlung war im vergangenen Jahr bereits bei den Kinderärztinnen und -ärzten aufgehoben worden. Lauterbach hatte argumentiert, dass dies auch im Hinblick auf einen Mangel an Kinderärzten geschehe.
In Teilen Deutschlands herrscht auch bei den Hausärzten ein eklatanter Mangel – vor allem in ländlichen Regionen. Hausärzte-Verbandschef Beier sprach von einer "ausgewachsenen Krise der hausärztlichen Versorgung". Viele Praxen seien an der Grenze ihrer Belastbarkeit. "Leider bekommen auch die Patientinnen und Patienten die Folgen inzwischen hautnah zu spüren."
Beier forderte auch einen spürbaren Abbau der immer weiter ausufernden Bürokratie. Auch Lauterbach hatte schon früher in einem Interview gesagt: "In den letzten Jahren hat sich eine enorme Bürokratie in den Praxen aufgebaut – das muss jetzt ein Ende haben." Seit Monaten arbeite sein Ministerium bereits an einem Gesetz zum Bürokratieabbau.
Forderungen nach generell mehr Geld erteilte Lauterbach hingegen eine Absage. Andere Ärzteverbände hatten gefordert, dass die Budgets, also die Gesamtgrenzen bei der Bezahlung der niedergelassenen Ärzte, generell abgeschafft werden sollten. Vor dem Spitzentreffen an diesem Dienstag hat auch die Ärzteorganisation Virchowbund diese Forderung noch einmal bekräftigt, selbst wenn die Beiträge dadurch steigen.
"Jetzt muss sich der Minister tatsächlich in diese Richtung bewegen", sagte der Vorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich, am Dienstag im Deutschlandfunk. "Da reicht es aber auch nicht, wenn er nach einem Viertel der Strecke stehen bleibt und nur die Allgemeinärzte zum Beispiel entbudgetiert würden. Die Grundversorgung ist mehr als das, was Hausärzte tun." Auch "die Grundversorgung von Fachärztinnen und Fachärzten muss entbudgetiert werden".
Anderenfalls würden viele ältere Ärzte mit 62 oder 63 Jahren vorzeitig aufhören, warnte er. "Es gehen so viele Kolleginnen und Kollegen vorzeitig in Rente, dass die Versorgung in wenigen Monaten an vielen Stellen zusammenbrechen wird. Denn die neuen Kolleginnen und Kollegen stehen nicht zur Verfügung, und wenn die älteren nicht länger arbeiten, werden wir riesengroße Versorgungslücken in Deutschland bekommen."
"Natürlich werden die Kassenbeiträge dann leicht ansteigen müssen." Die Patienten stünden hinter den Ärzten. "Die wollen ja die Versorgung haben, die wollen eben nicht monatelang oder jahrelang auf einen Termin warten."
Ihre Einnahmen erzielen Arztpraxen zu mehr als 70 Prozent aus der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamts für 2021 lagen die durchschnittlichen Einnahmen bei 756.000 Euro. Dem standen Aufwendungen von 420.000 Euro gegenüber. Daraus ergab sich ein durchschnittlicher Reinertrag von 336.000 Euro je Praxis.
Beeinflusst werde dieser Wert aber durch Praxen mit sehr hohen Einnahmen und Ausgaben, hieß es. Etwa die Hälfte hatte Einnahmen von bis zu 464.000 Euro und einen Reinertrag von bis zu 233.000 Euro. Die Angaben beziehen sich auch auf Gemeinschaftspraxen und Versorgungszentren mit mehreren Ärzten.
Der Reinertrag sei nicht mit dem Gewinn beziehungsweise dem Einkommen der Ärzte gleichzusetzen, erläuterten die Statistiker. Er stelle das Ergebnis des Geschäftsjahres der gesamten Praxis dar, berücksichtige aber zum Beispiel nicht Aufwendungen für Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversicherung der Praxisinhaber. Kosten für Personal seien in den Aufwendungen enthalten. Nach Angaben des Virchowbunds sind auch Einkommenssteuer und Investitionen in medizinische Geräte daraus zu bezahlen.
Rückendeckung für die Ärztinnen und Ärzte kommt auch vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Er fordert vor allem Verbesserungen für ältere Patienten und Familien. "Der Ärger der Hausärztinnen und Hausärzte ist nachvollziehbar", sagte die SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier. "Leider gibt es nach wie vor eine Unterversorgung in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten und eine Überversorgung in Ballungszentren – das muss ein Ende haben." Nötig sei eine Ärzte-Planung für eine barrierefreie Versorgung, sagte Engelmeier, "vor allem auch für die Belange von älteren und behinderten Menschen sowie von Familien mit Kindern".
Sinnvoll sei es, wenn die Budgetierung für Hausärztinnen und Hausärzte auf dem Land aufgehoben werde, also bestehende Obergrenzen beim Honorar wegfallen. So könne dem Problem ausgeschöpfter Budgets am Quartalsende begegnet werden, sagte Engelmeier.