Schindler war in Zusammenhang mit der Affäre um die weltweite Datenschnüffelei des US-Geheimdienstes NSA und BND-Abhöraktionen gegen befreundete Staaten im Juni 2016 entlassen worden. Er hatte den deutschen Auslandsgeheimdienst seit Anfang 2012 geführt. Das Kanzleramt versetzte Schindler damals gegen seinen Willen in den einstweiligen Ruhestand.
Nach dem bewaffneten Aufstand des Chefs der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor gut einer Woche war Kritik an einer angeblich zu späten Information der Bundesregierung durch den BND laut geworden. Das Nachrichtenportal "The Pioneer" berichtete, in der SPD gebe es Gedankenspiele über eine Ablösung von BND-Präsident Bruno Kahl, der den Dienst seit 2016 führt. Schindler sagte nun: "Diejenigen, die heute die Ablösung des Präsidenten fordern, haben selbst an der Beschneidung der Befugnisse des BND mitgewirkt. Von den eigenen Fehlern abzulenken, ist aber keine Problemlösung." Erforderlich sei "dringend eine Stärkung der operativen Fähigkeiten des Dienstes und eine gründliche Durchforstung der zahlreichen gesetzlichen Hemmnisse".
In der kürzlich vorgestellten Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung sei zwar von einer Stärkung der Analysefähigkeit der Nachrichtendienste die Rede, sagte Schindler. Die Stärkung der klassischen Informationsbeschaffung werde dagegen nicht als Ziel vorgegeben. "Das ist ein Fehler, denn ich kann nur analysieren, wenn ich auch die nachrichtendienstlichen Informationen hierzu habe." Die Vorwürfe gegen den BND im Zusammenhang mit den Vorgängen um die Gruppe Wagner dürften nach Informationen der dpa an diesem Mittwoch sowohl im Auswärtigen Ausschuss als auch im für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen, geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages eine Rolle spielen.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vergangene Woche in der ARD-Sendung "Maischberger" mit Blick auf den Aufstand Prigoschins gesagt, die Nachrichtendienste in Deutschland "haben das natürlich nicht vorher gewusst". Er ergänzte: "Aber sie haben uns dann auch immer weiter berichtet, was zu beobachten ist." Die Äußerungen waren im parlamentarischen Raum als indirekte Kritik am BND verstanden worden. Scholz kündigte an, den Informationsfluss mit den Verbündeten besprechen zu wollen. Zu Berichten, dass US-Geheimdienste angeblich früher Bescheid gewusst hätten, sagte er: "Das werden wir alle gemeinsam zu besprechen haben - auch, was der Fall ist von den Dingen, die jetzt spekuliert werden."
Kritik am BND wurde am Wochenende vor allem aus den Reihen der Ampel-Parteien SPD und FDP laut. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch sagte: "Nach der "unbemerkten" Machtergreifung der Taliban in Afghanistan, dem Skandal um einen Doppelagenten vom Dezember letzten Jahres und dem Anschlag auf die Nord-Stream-2-Pipeline wirft die aktuelle Berichterstattung erneut ein schlechtes Bild auf die Vernetzung des BND mit anderen, großen Nachrichtendiensten." Grötsch ist PKGr-Mitglied. Er kündigte an, der BND müsse sich in dessen nächster Sitzung unbequemen Fragen stellen.
Der Chef des Afghanistan-Untersuchungsausschusses des Bundestages, Ralf Stegner (SPD), sagte dem "Spiegel": "Wir sind jetzt langsam zu oft von den Ereignissen überrascht worden." Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ulrich Lechte, kritisierte: "Die Informationslage des BND zum Innenleben Russlands war offensichtlich dünn." Die Abgeordnete Sara Nanni (Grüne) sagte dem Blatt: "Definitiv ist die Lage frustrierend." Es sei aber viel zu leicht, die Fehler beim BND zu suchen. All das sei "auch eine Frage der Ressourcen".
Wagner-Chef Prigoschin hatte vor gut einer Woche unter anderem die südrussische Stadt Rostow am Don besetzt und seine Kämpfer dann Richtung Moskau marschieren lassen. Rund 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt gab er überraschend auf. Prigoschin und seinen Söldnern wurde von Putin Straffreiheit zugesichert.
dp/fa