
Bisher galt Quote 103: Für eine vorzeitige Pensionierung musste man bei einem Alter von 62 Jahren 41 Beitragsjahre vorweisen können. Ab dem nächsten Jahr will die Regierung im Rahmen des neuen Staatshaushaltes das Mindestalter auf 63 Jahre festlegen, bei weiterhin 41 Beitragsjahren. Das offizielle Rentenalter beträgt in Italien 67 Jahre für Männer und Frauen.
Italien gibt bereits heute 16 Prozent seines Bruttosozialprodukts für Renten aus, deutlich mehr als der EU-Durchschnitt. Die geplante restriktivere Regelung für vorzeitige Pensionierungen ist unter dem Aspekt der Finanzierung somit ein Gebot der Stunde. Allerdings hatte Salvinis Lega im Wahlkampf nicht eine Erhöhung, sondern eine massive Senkung des Mindestrentenalters versprochen, nämlich Quote 100. Und der zweite Koalitionspartner von Meloni, der in diesem Jahr verstorbene Forza-Italia-Padrone Silvio Berlusconi, wollte dazu auch gleich noch die Mindestrenten von 500 Euro auf 1000 Euro verdoppeln. Der Rechtspopulist Salvini weiß, dass die Wählerinnen und Wähler diese Wahlversprechen nicht vergessen haben – und steigt nun auf die Barrikaden.
Für die Einlösung der teuren Wahlversprechen besteht in dem von der Regierung in dieser Woche im Detail vorgestellten Haushalt für das kommende Jahr freilich kein Spielraum, im Gegenteil: Die finanzielle Situation ist extrem angespannt, und im Unterschied zu ihrem ersten Budget vor einem Jahr, als Ministerpräsidentin Giorgia Meloni noch auf die Vorarbeit ihres Amtsvorgängers Mario Draghi zählen konnte, hat die Regierung den Pfad der finanzpolitischen Tugend im neuen Staatshaushalt verlassen. Anders als in den Finanzplänen des ehemaligen EZB-Chefs vorgesehen, plant die Regierung für 2024 nun mit einem Defizit von 4,3 statt 3,6 Prozent.
Die Erhöhung des Defizits ist in erster Linie einer Senkung der Arbeitsnebenkosten zuzuschreiben. Die Entlastung des Faktors Arbeit ist zwar wachstums- und sozialpolitisch sinnvoll – aber in Italien handelt es sich, wie so oft, um eine Steuersenkung auf Pump. Das gilt auch für vieles andere, das in Melonis neuem Staatshaushalt ebenfalls mit neuen Schulden finanziert wird. Die Folge: Der Schuldenberg Italiens – in absoluten Zahlen schon heute der weitaus höchste in der EU – wird wohl schon im kommenden Jahr die bedrohliche Grenze von 3 Billionen Euro durchbrechen. Kombiniert mit den gestiegenen Zinsen wird dies laut Finanzminister Giancarlo Giorgetti im kommende Jahr zu einer Erhöhung der Zinslast um 14 Milliarden Euro führen.
Insgesamt wird Italien nächstes Jahr rund 90 Milliarden Euro für den Schuldendienst ausgeben müssen – das entspricht zwei Dritteln der Summe, die der italienische Staat für das Gesundheitswesen ausgibt. Hinzu kommen in den nächsten Jahren 120 bis 140 Milliarden Euro an Steuerausfällen, die durch die absurd hohe Subventionierung von Ökosanierungen privater Liegenschaften in Form von Steuergutschriften entstanden sind.
In diesem trüben Umfeld stellt die von der Regierung geplante Erhöhung des Rentenmindestalters die einzige Sparmaßnahme im Budget 2024 dar, die diesen Namen verdient. Auf sie zu verzichten, wie Salvini fordert, mutet einigermaßen abenteuerlich an: Der Lega-Chef, der Meloni auch in der Migrationspolitik mit unrealistischen Forderungen vor sich hertreibt, ist und bleibt eine Belastung für die erste Regierungschefin Italiens.