Am Donnerstag hatte die Führung der größten Koalitionsfraktion eingestanden, dass der Bundeshaushalt für 2024 nicht mehr vor Jahresende verabschiedet werden kann. Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hätten sich nach wie vor nicht auf eine Lösung der Haushaltskrise geeinigt, schrieb die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, am Donnerstag in einer SMS an ihre Fraktion.
Die SPD schließt einen Haushaltsbeschluss im Bundestag damit nur kurz vor dem an diesem Freitag beginnenden Bundesparteitag in Berlin aus. Kevin Kühnert zeigte sich davon aber unbeeindruckt: "Wir sind eine professionelle Partei. Wir sind darauf vorbereitet, es so zu nehmen, wie es kommt. Dieser Parteitag findet ganz selbstbewusst aus der Sozialdemokratie selbst heraus statt und funktioniert mit einer Haushaltseinigung und ohne eine Haushaltseinigung. Denn unsere Grundüberzeugungen, die bleiben unsere Grundüberzeugungen."
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder hat die Hängepartie beim Bundeshaushalt kritisiert. Der vorerst gescheiterte Versuch einer Einigung zwischen den Ampelparteien zeige die "Ohnmacht der Koalition", sagte Söder am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Sie hätte die Pflicht gehabt, jetzt zu sagen, "wie es denn weitergeht in dieser Situation".
Der CSU-Vorsitzende schlug vor, das Heizungsgesetz rückgängig zu machen und beim Bürgergeld zu sparen. Bei der Ampel erkenne er keine Idee. Sie habe wenig Vertrauen in der Bevölkerung und auch untereinander kein Vertrauen mehr. Daher "wäre eine Neuwahl tatsächlich der beste Weg fürs ganze Land", sagte der CSU-Chef.
Angesichts der Haushaltskrise hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die Vertrauensfrage zu stellen. "Ich glaube, es wäre besser, dass der Bundeskanzler die Vertrauensfrage stellt im Deutschen Bundestag", sagte Linnemann am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Wenn Scholz diese gewinne, müsse die Ampel-Regierung einen Plan machen für die kommenden zwei Jahre. "So wie jetzt darf es nicht weitergehen", sagte Linnemann. Wenn Scholz die Vertrauensfrage verliere, müssten die Bürgerinnen und Bürger über einen Neuanfang entscheiden. "Wir brauchen jetzt Ehrlichkeit. Zwei Jahre so weitermachen kann sich dieses Land nicht leisten."
Der Linken-Politiker Dietmar Bartsch hat die Verzögerungen beim Bundeshaushalt 2024 scharf kritisiert. Dies sei "hochnotpeinlich und ein Tiefpunkt der Ampel", sagte Bartsch am Donnerstag. "Diese Bundesregierung befindet sich schon zur Halbzeit in der Sackgasse."
Bartsch nannte es eine Respektlosigkeit gegenüber Bürgern und Parlament, das Land bei den Staatsfinanzen des kommenden Jahres im Unklaren zu lassen. "Wir bewegen uns immer weiter weg von geordneten parlamentarischen Verfahren", sagte Bartsch. "Das Königsrecht des Parlaments - das Budgetrecht - wird missbraucht."
Die Ampel-Spitzen ringen darum, wie ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Haushalt gestopft werden kann. Es entstand unter anderem durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste deutsche Gericht hatte eine Umschichtung im Haushalt für nichtig erklärt. Dadurch fehlen nicht nur 60 Milliarden Euro, die über vier Jahre für Klimaschutz-Vorhaben und die Modernisierung der Wirtschaft eingeplant waren. Der Richterspruch wirkte sich auch auf verschiedene kreditfinanzierte Sondertöpfe aus.
Der "Reutlinger General-Anzeiger" schreibt zur Debatte um den Bundeshaushalt 2024: "17 Milliarden müssen eingespart werden. Das betrifft Kernforderungen der Ampel-Partner. Und es geht um schwer vermittelbare Kürzungen, um Projekte im sozialen Bereich wie auch für den klimafreundlichen Umbau der Industrie. Daran hängen die Schicksale vieler Bürger. Ja, Panik hilft nichts. Dennoch ist es unpassend, dass sich Kanzler Olaf Scholz weiterhin mit einer Aura der Unfehlbarkeit schmückt und kein Wort verliert über die stümperhafte Haushaltsplanung. Es wäre an der Zeit für mehr Demut und Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern."
Die "Ludwigsburger Kreiszeitung" schreibt zum Haushalt: "Der Bundeshaushalt für das kommende Jahr kann nicht mehr in diesem Jahr vom Bundestag beschlossen werden. Dieses Eingeständnis der Ampelkoalition am Donnerstagnachmittag wird ihren Ansehensverlust noch vergrößern. Denn wahrgenommen wird vor allem, dass sich SPD, Grüne und FDP nicht einigen können. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist es auch nach tagelangen Verhandlungen bisher nicht gelungen, mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) einen Durchbruch zu erzielen. Vor allem diese Tatsache wird bei den Menschen hängenbleiben."
"Bund ohne Haushalt" titelt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Das Bild, das die Ampelregierung abgibt, ist erschreckend. Olaf Scholz konnte lange Zeit ruhig über die Vorwürfe hinwegsehen, er kommuniziere zu wenig, er erkläre seine Politik nicht. Sein Credo lautete nämlich: Solange die Ergebnisse stimmten, sei doch alles in Ordnung. Doch das Bild, das Scholz von sich selbst zeichnet, bekommt immer mehr Risse. Denn jetzt stimmen nicht einmal mehr die Ergebnisse oder genauer: Es gibt keine Ergebnisse. Die von ihm geführte Bundesregierung wird es in diesem Jahr nicht mehr schaffen, einen Haushalt für die kommenden zwölf Monate vorzulegen. Kein SPD-Kanzler, der führt, stattdessen ein FDP-Finanzminister, der in den ersten Wochen des neuen Jahres eine erstaunliche Machtfülle haben wird."