Die EU bemüht sich schon seit Jahren darum, mehr Menschen ohne Bleiberecht zurückzuführen, kommt dabei aber kaum voran. "Diejenigen, die nicht zum Aufenthalt in der Europäischen Union berechtigt sind, müssen in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden", sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson noch am Dienstag. 2019 lag die Quote ausreisepflichtiger Menschen, die die EU tatsächlich verließen, bei 29 Prozent. 2021 waren es - wohl auch coronabedingt - nur 21 Prozent. Dabei hatte die Brüsseler Behörde noch 2018 ein Ziel von rund 70 Prozent ausgerufen. Auch die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat im Koalitionsvertrag eine "Rückführungsoffensive" angekündigt.
Aus Deutschland wurden im vergangenen Jahr 12 945 Ausländer abgeschoben. Vor der Corona-Pandemie 2019 hatte es noch mehr als 22 000 Abschiebungen gegeben. Das derzeitige EU-Rückkehrsystem sei "in hohem Maße ineffizient und bewirkt daher das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll: Statt abzuschrecken, leistet es illegaler Migration Vorschub", hieß es Ende 2021 zu einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs.
Die Gründe für die niedrige Quote sind vielfältig. Zum einen setzen viele EU-Staaten ihre Entscheidungen nicht konsequent um. So nutzen etwa nur wenige Länder die Möglichkeit, die EU-Agentur Frontex für Abschiebeflüge einzuspannen. Zum anderen kooperieren viele Drittstaaten nicht mit der EU. Als unkooperative Länder, aus denen viele Menschen in die EU kommen, werden in Brüssel etwa Marokko und Algerien sowie Staaten am Horn von Afrika genannt. Als mögliche Druckmittel nannte ein EU-Gipfel im Dezember 2021 die Visapolitik sowie Handelsbeziehungen und Entwicklungshilfe.
Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft setzt vor allem auf das erste Instrument und damit auf Artikel 25a des Visakodex. Dadurch besteht die Möglichkeit, durch die Visavergabe Druck auf Länder zu machen, die ihre Staatsangehörigen nicht zurücknehmen. So könnte etwa die Bearbeitungszeit von Visa-Anträgen länger dauern oder Gebühren angehoben werden. Der Mechanismus könne "eines der wichtigsten Instrumente sein, um die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich Rückkehr und Rückübernahme zu verbessern", heißt es in dem Diskussionspapier.
Tatsächlich hat die EU-Kommission bislang aber nur für vier Länder vorgeschlagen, dieses Druckmittel anzuwenden - Bangladesch, Irak, Gambia und Senegal. Jedoch haben die EU-Staaten den Vorschlag einzig für Gambia angenommen. Der eigentliche Sinn von Artikel 25a sei nicht dessen Anwendung, sondern die Drohung damit. So sei die Zusammenarbeit mit Bangladesch allein durch den Vorschlag der Kommission besser geworden, heißt es in Brüssel.
Mit Blick auf das Innenministertreffen sowie einen EU-Sondergipfel im Februar legte die EU-Kommission diese Woche eine Strategie vor, die für mehr Abschiebungen sorgen soll. Für raschen Erfolg setzt diese unter anderem auf mehr Zusammenarbeit der EU-Staaten, auf mehr Tempo und mehr Abschiebungen in Länder, in denen es keine größeren politischen Hürden oder Probleme mit Grundrechten gibt. Nach Angaben von Innenkommissarin Johansson ist das auch deshalb wichtig, weil die Asylsysteme vieler EU-Staaten stark unter Druck stehen. Die Zahl der Asylanträge sei 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent auf 924 000 gestiegen. Hinzu kämen vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine, die in der EU keinen Asylantrag stellen müssten.
dp/pcl