Die Kriegsherren im Kreml können in der Tat auf einige Zeichen verweisen, dass sich Russland Wirtschaft stabilisiert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hob seine Prognose für Russland mehrfach an und traut dem Land dieses Jahr jetzt 2,2 Prozent Wachstum zu. Der deutsche Sachverständigenrat für Wirtschaft geht davon aus, dass Russland Bruttoinlandsprodukt 2023 um 1,6 Prozent und nächstes Jahr um 1,2 Prozent wächst. Für Deutschland liegen die Prognosen der Wirtschaftsweisen weit darunter: minus 0,4 Prozent in diesem und nur plus 0,7 Prozent im nächsten Jahr.
Auch der Rubel hat sich stabilisiert. Russlands Währung war nach dem Überfall auf die Ukraine zunächst mit den Energiepreisen in die Höhe geschossen, dann aber mit den Sanktionen abgestürzt. Beide Faktoren wirken nach wie auf Russlands Währung. Sie notiert knapp über 90 Rubel für einen US-Dollar und damit nur noch knapp außerhalb der vom Kreml ausgerufenen Komfortzone zwischen 80 und 90 Rubel je Dollar. Seit seinem Tief bei mehr als 100 Rubel je Dollar hat der Rubel zehn Prozent gut gemacht. Im Vergleich zur Vorkriegszeit hat er um rund zehn Prozent abgewertet. Alles kein Drama.
Die zwischenzeitliche Talfahrt des Rubel und die Verteuerung vieler Importe durch Sanktionen haben die Inflation in Russland auf sechs Prozent angeheizt. Um die Inflation zu bremsen und den Rubel zu stützen, erhöhte die Zentralbank den Leitzins kräftig, zuletzt vor zwei Wochen von 13 auf 15 Prozent. Auf eine für diese Woche erwartete erneute Zinserhöhung verzichtete die Zentralbank aber.
Viele Daten aus Russland sind mit Vorsicht zu genießen. Ein großer Teil des Wachstums kommt zudem durch staatliche Ausgaben für die Rüstungsindustrie sowie Hilfen für private Haushalte. Der IWF nannte die "umfangreichen fiskalischen Stimulierungspakete" als Faktor, der das Wachstum stützt. Putin will in diesem Jahr allein 160 Milliarden Dollar für das Militär ausgeben. 2024 soll der Betrag noch einmal um ein Viertel steigen. Ebenso schnell steigt aber auch das Staatsdefizit.
Laut dem UBS Global Wealth Report sind auch viele Russen durch den Krieg gegen die Ukraine reicher geworden. Die Zahl der Millionäre sei trotz der Sanktionen gegen vermögende Privatpersonen um 56.000 auf 480.000 gestiegen. Diese Zahlen bedeuten jedoch nicht, dass die Sanktionen nicht wirkten oder dass sich Russlands Wirtschaft in einer guten Verfassung befindet.
Vor allem die Sanktionen gegen Russlands Ölindustrie sowie Russlands eigene Lieferstopps von Gas etwa an Deutschland haben die Außenwirtschaftsbilanz stark verschlechtert. Der Überschuss der Leistungsbilanz brach ist in den ersten neun Monaten 2023 zum Vorjahr um fast 80 Prozent auf 41 Milliarden US-Dollar ein. Die Einnahmen aus Energieexporten fielen in den sieben Monaten bis Juli um 41 Prozent.
Russland kann viele Sanktionen zwar umgehen, verkauft etwa mehr Öl an China und Indien - aber nur mit deutlichen Preisabschlägen und mit höheren Transportkosten. Der Krieg hat für Russlands Unternehmen noch eine Folge. Russland steht vor einem Mangel an Arbeitskräften, weil viele Männer in den Krieg eingezogen wurden oder ausgewandert sind, und viele Menschen in der Rüstungsindustrie gebunden werden."Der russische Arbeitsmarkt sowie die gesamte Wirtschaft befinden sich am Limit", sagte Ruben Enikolopow, Wirtschaftsprofessor an der Universität in Barcelona, der ‚Financial Times‘.
Gleichzeitig lassen die Verbündeten der Ukraine mit ihren Sanktionen gegen Russland nicht locke. Das Europäische Parlament fordert eine strengere Durchsetzung der Strafmaßnahmen. Schlupflöcher sollen geschlossen und weitere Beschränkungen verhängt werden. Die EU arbeitet an einem neuen Sanktionspaket gegen Russland. Die Gruppe der sieben großen westlichen Industriestaaten, G-7, will zudem neue Sanktionen gegen russische Diamanten auf den Weg bringen. Die USA wollen gezielt Russlands Bemühungen, Rohstoffe in der Arktis abzubauen, ins Visier nehmen.
Die EU ist für Russland noch immer einer der Hauptabnehmer fossiler Brennstoffe. Sie gelangen als flüssiges Erdgas (LNG) und Pipeline-Gas in mehrere EU-Länder, nicht aber nach Deutschland. Der EU-Markt müsse für russisches Öl und Gas geschlossen werden, teilte das EU-Parlament mit. Die Ukraine hat angekündigt, seinerseits den Transit von russischem Gas nach Westen Ende 2024 einzustellen. Das trifft Länder wie Österreich, das immer noch rund die Hälfte seines Erdgases aus Russland bezieht.