Deren Kritik dürfte allerdings verhallen, schließlich hat die Ampelregierung mehrfach klargemacht, an ihrem Vorhaben festzuhalten. Zudem gehören nicht wenige Abgeordnete in den Ampelfraktionen zur zweiten Gruppe. Ihnen ist der Entwurf Lauterbachs viel zu restriktiv. Wichtig für die weiteren parlamentarischen Beratungen sind also insbesondere die Stellungnahmen, die den Gesetzentwurf grundsätzlich unterstützen, aber im Detail Änderungen vorschlagen. Ein Überblick:
200-Meter-Grenze: Die Koalition plant, dass in einem Radius von 200 Metern um Schulen, Kitas oder andere Jugendeinrichtungen der Konsum von Cannabis verboten bleibt. Die Neue Richtervereinigung, die anders als der rechtskonservative Richterbund den Gesetzentwurf grundsätzlich begrüßt, hält diese Abstandregel für wenig praktikabel. Schließlich sei für Betreffende kaum ersichtlich, ob sie sich gerade in einer derartigen Bannzone aufhielten und damit im Fall des Kiffens eine Ordnungswidrigkeit begingen. Ohnehin sei fraglich, ob vom "öffentlichen Konsum durch Erwachsene eine abstrakte Gefahr für Jugendliche ausgeht".
Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert die Regel als "praktisch nicht kontrollierbar". Weder die potenziellen Konsumenten noch die Kontrollkräfte der Polizei oder die Ordnungsbehörden wüssten, wo sich die Bannzonen genau befänden.
Der "Schildower Kreis" – ein Netzwerk von Sucht- und Drogenexperten – plädiert als Kompromiss für eine Verbotszone im "unmittelbaren Eingangsbereich von Einrichtungen, die von Kindern und Jugendlichen frequentiert werden", und schlägt hier einen 40-Meter-Abstand vor.
Cannabis-Anbauvereinigungen: Der erst vor einem Jahr gegründete "Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs" plädiert in seiner Stellungnahme dafür, in und um die Anbauvereine den Cannabiskonsum zu erlauben – was Lauterbach ausdrücklich nicht will. Der Verband argumentiert aber: "Gerade das gemeinschaftliche (Er-)Leben von Cannabiskultur macht Cannabis Social Clubs gesundheitspolitisch wertvoll, unter anderem weil erfahrene Konsumentinnen und Konsumenten ihre Expertise weitergeben und damit zur Harm Reduction beitragen können."
Der Verband wehrt sich zudem dagegen, dass die Namen der Vereinsmitglieder behördlich gesammelt werden sollen. Das schaffe eine "nie da gewesene gesetzliche Stigmatisierung der Nutzer und Nutzerinnen eines Genussmittels", beklagt der Lobbyverband.
Auch der Soziologe Bernd Werse von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main sieht die geplanten Regelungen für die Anbauvereinigungen kritisch: "Kleinteilige Dokumentations- und Berichtspflichten machen aus dem Konzept der Anbauvereinigungen ein Bürokratiemonster, und Abstandsregeln und Konsumverbote verhindern jegliches vereinstypisches Miteinander", so der Sachverständige in seiner schriftlichen Stellungnahme.
Eigenanbau: Mehrere Einzelsachverständige, darunter der Strafrechtler Mustafa Temmuz Oglakcioglu von der Universität des Saarlandes, und der Neue Richterbund fordern für den Eigenanbau von Cannabis flexiblere Regelungen. Das Argument: Bei der Ernte kann es leicht passieren, dass die von der Koalition geplante Besitzgrenze von 25 Gramm pro Person überschritten wird. "Können aus drei Pflanzen mehr als 25 Gramm Cannabis gewonnen werden, droht eine normsinnwidrige Kriminalisierung von Erntenden", so die Juristen. Sie fordern zumindest eine legale Möglichkeit der Vernichtung der "überschießenden Ernte".
Der Deutsche Hanfverband verweist hingegen auf Kanada, wo es in den meisten Provinzen gar keine Obergrenze für den Besitz zu Hause gebe. Das gelte auch für viele US-Staaten. Der Jurist Oglakcioglu fordert zusammen mit weiteren Sachverständigen zudem, die Strafbarkeit der unentgeltlichen Weitergabe von Cannabis aus dem Eigenanbau an andere Erwachsene wieder aus dem Gesetzentwurf zu streichen.