Das SPD-geführte Innenministerium fordert ein zügiges Austauschen von elektrischen Bauteilen der Hersteller Huawei und ZTE – was großen Aufwand und hohe Kosten verursachen würde. Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) hält dagegen. Derzeit laufen die Abstimmungsgespräche innerhalb der Bundesregierung. Die Entscheidung könnte schon in den nächsten Tagen fallen. Über die Gefahr, die durch Komponenten von Huawei und ZTE ausgehen könnte, wird seit Jahren diskutiert. Zunächst waren es US-Geheimdienste, die schon zu Donald Trumps Regierungszeit warnten, dass in der 5G-Software Hintertürchen zwecks Spionage- und Sabotageaktivitäten versteckt sein könnten. Finale Beweise dafür gibt es bislang nicht. Aber die EU einigte sich schon vor gut drei Jahren darauf, keine Elektronik mehr von sogenannten Hochrisikoanbietern zu verbauen. In mehreren EU-Ländern ist die Umrüstung auf alternative Anbieter längst umgesetzt. Deutschland gilt als Nachzügler.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will nun Tempo machen, da es "strukturelle Abhängigkeiten" gebe. Dies stehe im Widerspruch zur China- und zur Sicherheitsstrategie. Deshalb will das Ministerium die chinesische Technik aus den "Kernnetzen", wo unter anderem Nutzerdaten verarbeitet werden, zum 1. Januar 2026 entfernen lassen. Einige Monate später soll auch der Anteil von Huawei- und ZTE-Teilen in den riesigen Zugangsnetzen mit Tausenden Basisstationen und Antennen auf weniger als 25 Prozent reduziert werden.
Die genauen Modalitäten will die Regierung offenbar im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen dem Bund und den Netzbetreibern festzurren. In der Diskussion ist dabei auch, die geplante kostenlose Verlängerung von Funklizenzen mit der Umrüstung zu verknüpfen und/oder den Austausch der chinesischen Komponenten mit den routinemäßigen Nachrüstungen der 5G-Technik zu synchronisieren.
Vodafone teilt mit: "Im Kernnetz nutzen wir keine Technologie von Huawei. Im Antennennetz gibt es hierzulande extrem hohe Sicherheitsstandards, die wir befolgen. Unregelmäßigkeiten wurden bisher nie festgestellt." Technikchefin Richter fügt hinzu: "Deutschland braucht sichere und leistungsfähige Netze. Wir müssen über realistische, technische Möglichkeiten sprechen, wie wir beides auch in Zukunft möglich machen – und dabei aus den Erfahrungen in anderen Ländern lernen." Staaten, die einen Rückbau verordnet hätten, seien heute Schlusslichter beim 5G-Ausbau. Tatsächlich stehen im 5G-Observatory-Bericht der EU-Kommission Estland, Lettland, Schweden, Belgien und Rumänien beim Ausbau der neuen Mobilfunktechnik abgeschlagen auf den letzten Plätzen. In diesen Ländern wurde Technologie von chinesischen Ausrüstern verbannt.
Ein entscheidendes Problem beim Umrüsten ist, dass Funkmasten der Netzbetreiber in Clustern zusammengebunden sind. Die Folge: Wenn Netzbetreiber die Technik austauschen müssten, dann wäre es notwendig, dies jeweils für zahlreiche zusammenhängende Masten eines Clusters gleichzeitig zu tun. Diese technische Notwendigkeit führte in mehreren Ländern dazu, dass Gemeinden oder Stadtteile mehrere Tage hintereinander offline waren. Deshalb Richters Rede vom wandernden Funkloch.
Branchenkenner warnen überdies, dass das Ersetzen der Huawei- und ZTE-Teile nicht nur viele Milliarden Euro kosten würde, sondern auch über Jahre massive Qualitätsprobleme in den Funknetzen bringen könnte. Was jetzt passiere, sei mit einem Schiedsrichter vergleichbar, der mitten in einem Fußballspiel die Regeln ändere. "Ein weiteres Problem, das die Pläne des Innenministeriums quasi unmöglich macht, ist der Mangel an Fachkräften für die Baumaßnahmen. Zudem ist zu erwarten, dass die Preise für neue Antennentechnik von alternativen Anbietern in die Höhe schießen werden", sagte ein Insider.
Unter anderem der schwedische Ericsson-Konzern und das finnische Unternehmen Nokia haben die 5G-Netzkomponenten im Angebot. Die Huawei-Technik gilt in der Branche aber als führend und das Preis-Leistungsverhältnis als günstig. Auch die beiden anderen Netzbetreiber (Deutsche Telekom und Telefónica) kritisieren die Pläne des Ministeriums massiv. Telefónica teilte auf Anfrage mit: "Sollte es zu einem Ausschluss von Komponenten kommen, muss entsprechend ein ausreichend langer Zeitraum für deren Austausch gegeben werden. Dies ist zur Aufrechterhaltung von Netzqualität und ‑leistung essenziell. Für einen rückwirkend notwendigen Umbau des Netzes würde Telefónica zudem Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland prüfen".
Aus Sicht der Telekom ist das Zieldatum 2026 "realitätsfern". Zudem sei der Netzausbau auf gültiger Rechtslage und im engen Schulterschluss mit den Aufsichtsbehörden erfolgt. Die Position des Verkehrs- und Digitalministeriums ist den Netzbetreibern nah. So wird auf bestehende hohe Standards und strenge Vorschriften verwiesen und daran erinnert, dass eine gute Versorgung mit mobilem Internet zu berücksichtigen sei. Huawei hat in einer Stellungnahme die "Politisierung der Cybersicherheitsbewertung" beklagt. Ferner sei Huawei ein verlässlicher Lieferant von innovativer Technik "mit sehr guter Sicherheitsbilanz".
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