Als Anzeichen für die Entwicklung werden der jüngste Rückgang bei den chinesischen Exporten sowie bei den Einfuhren in die USA gesehen. Ein Beispiel für das Umdenken bei globalen Lieferketten sind die Versuche, mehr Chipfertigung wieder in die USA und nach Westeuropa zu bringen, um das Ausfallrisiko angesichts der Spannungen mit China um Taiwan zu verringern. Von dort kommen ein Großteil der Halbleiter sowie nahezu alle der modernsten Chips.
In solchen Situationen sei es "unausweichlich", dass ein Teil der Lieferketten umverlagert werde, sagte Okonjo-Iweala. Es sei nicht richtig, wenn ein Produkt zu 90 Prozent an einem Ort produziert werde und alle davon abhingen. "Wir sollten die Konzentration an einigen Stellen verringern, aber wir wollen nicht eine Veränderung des Investitionsverhaltens sehen, die zeigt, dass der Handel nicht mehr so eng verzahnt ist."
"Wenn sich die Investitionen erstmal einmal verschoben und Lieferketten zerschlagen haben, ist das nicht so einfach zu reparieren", warnte Okonjo-Iweala. Sie hoffe, dass die aktuellen geopolitischen Spannungen nicht zu Rückgängen im Handel zwischen großen Ländern oder Staatenblöcken führen.
Denn das würde auch die Weltwirtschaft weniger resistent gegen Krisen machen, betonte die WTO-Chefin. Äthiopien etwa sei auf Weizen aus der Ukraine angewiesen gewesen, habe aber schnell Ersatz aus den USA und Argentinien bekommen, als im vergangenen Jahr die Lieferungen wegen des russischen Überfalls wegbrachen. "Wir waren positiv überrascht, wie widerstandsfähig der Handel sich erwies."
Die aktuelle Umwälzung der Lieferketten sei auch "eine Chance, Länder zu integrieren, die bisher außen vor gelassen wurde", sagte Okonjo-Iweala. Wenn aktuell Fertigungskapazitäten aus China verlagert würden, gingen sie meist nach Indien, Vietnam oder Indonesien. Warum aber nicht auch nach Bangladesch, Kambodscha oder Laos - oder in den Senegal, Ruanda oder Südafrika, so die WTO-Chefin: "Es wäre eine andere Art von Globalisierung als wir sie bisher gesehen haben."
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