In dem Antrag wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, eine ständige Bund-Länder-Kommission Antiziganismus einzusetzen, da viele der Maßnahmen zur Überwindung von Antiziganismus in die Zuständigkeit der Länder fallen. Außerdem müsse die Partizipation von Sinti und Roma gezielt gefördert und das gesellschaftliche Bewusstsein für die deutsche Geschichte geschärft werden. "Es muss klar sein, dass Antiziganismus in Deutschland keinen Platz hat", heißt es in dem Antrag weiter. "Die nationalsozialistischen Verbrechen an Sinti und Roma wurden noch lange Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geleugnet."
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Filiz Polat, sagte, erstmalig habe Bundestag einen interfraktionellen Antrag verabschiedet, der sich selbstkritisch mit der deutschen Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma auseinandersetze. "In der Zeit des Nationalsozialismus wurden bis zu 500.000 Sinti und Roma entrechtet und ermordet", sagte Polat. "Und auch danach, im Rahmen der 'Zweiten Verfolgung', wurden Angehörigen der Minderheit systematisch Bürger- und Menschenrechte verweigert."
Der 2022 von der Bundesregierung ernannte Antiziganismus-Beauftragte Mehmet Daimagüler sagte im Bundestag, nach dem Zweiten Weltkrieg seien im Genozid Ermordete und Überlebende in Deutschland "weiter kriminalisiert" worden. "Die Verächtlichmachung der Menschen, der Soundtrack, der nach Auschwitz führte, er hat nie ganz aufgehört", so Daimagüler. Deswegen hätten Kranzniederlegungen an Gedenktagen "etwas Verlogenes". "Wir ehren die Toten und entehren am nächsten Tag die Lebenden", sagte Daimagüler.
Grundlage für den Antrag ist ein Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, der im Bundestag beraten wurde. Zu den zentralen Forderungen der Kommission zählt die umfassende Anerkennung des nationalsozialistischen Genozids an Sinti und Roma. Nicht in Deutschland lebende Überlebende des Genozids sollen demnach mit einem Sonderfonds durch das Bundesfinanzministerium entschädigt werden. Sinti und Roma "wurde und wird durch staatliche Behörden und andere gesellschaftliche Institutionen der Bundesrepublik Deutschland gravierendes Unrecht zugefügt", schreiben die Autoren.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, hatte Anfang dieses Jahres in ihrem Lagebericht "Rassismus in Deutschland" festgestellt, dass Sinti und Roma die am meisten abgelehnte Minderheit in Deutschland seien. "Knapp 29 Prozent der Bevölkerung geben in repräsentativen Befragungen an, Antipathien gegenüber dieser Gruppe zu besitzen", heißt es in dem Bericht. Dieser Befund sei angesichts des Völkermords an den Sinti und Roma "mehr als alarmierend".