Artillerieangriffe wurden auch aus der ukrainisch kontrollierten Region Cherson im Süden der Ukraine gemeldet. Dort seien 35 Ortschaften von russischer Artillerie beschossen worden, teilte der Generalstab in Kiew mit. Die Frontlinien blieben demnach unverändert. Russland führt seit dem Februar des Vorjahres einen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Die ukrainischen Truppen sind nach Analysen westlicher Experten im teilweise befreiten Gebiet Cherson nun auch auf die bisher von russischen Besatzern kontrollierte Uferseite des Flusses Dnipro vorgestoßen. Aus veröffentlichten Geodaten und Texten russischer Militärblogger gehe hervor, dass die ukrainischen Streitkräfte Positionen am linken beziehungsweise Ostufer im Gebiet Cherson eingenommen hätten, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) mit. Unklar seien aber das Ausmaß und die Ziele dieser erstmals so registrierten Erfolge der Ukrainer. Die neue Entwicklung würde auf einen Kontrollverlust der russischen Einheiten in der Region hinweisen. Demnach könnten sich die russischen Besatzer nur noch auf Städte konzentrieren. Vom Gebiet Cherson aus wäre bei einer Eroberung der Region der Weg für die ukrainische Armee frei zu der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Das ukrainische Militär wollte die ISW-Angaben zunächst weder dementieren noch bestätigen. "Die sehr schwere Arbeit geht weiter", sagte eine Sprecherin. Die Lage an dem riesigen Fluss sei kompliziert. Solche Operationen bräuchten keinen "Informationslärm", sondern Ruhe. Sie riet den ISW-Experten zur "Geduld".
Regierungsbeamte und ukrainische Kommandeure haben monatelang signalisiert, dass sie versuchen würden, russische Streitkräfte von Gebieten im Süden und Osten des Landes zu vertreiben, wenn das Wetter und die Truppen bereit wären. Moskau kontrolliert etwa 17 % der Ukraine, obwohl ein Großteil davon 2014 beschlagnahmtes Gebiet ist, darunter die Halbinsel Krim und Teile der Regionen Luhansk und Donezk, die von von Moskau unterstützten stellvertretenden "Separatisten" beansprucht werden. Das ukrainische Militär widersetzte sich im ersten Kriegsjahr wiederholt den Erwartungen seiner Verbündeten und schlug russische Streitkräfte zurück, die als größer und besser bewaffnet galten.
Erste Versuche, Kiew einzunehmen, wurden im vergangenen Frühjahr nach einer heftigen ukrainischen Verteidigung der Hauptstadt abgebrochen. Ein Herbstfeldzug befreite dann Teile des Nordostens von Charkiw und verdrängte russische Truppen aus Cherson, ihrer damals letzten Festung am Westufer des Dnjepr.
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