Die COP28 entwickelt sich immer mehr zu einem heiklen Drahtseilakt für die autoritär geführten Vereinigten Arabischen Emirate. Sie wollen sich als Gastgeber auf der internationalen Bühne in Szene setzen, aber bitte möglichst ohne bohrende Nachfragen von Journalisten. Und das bei einer Konferenz, auf der die Grundlage der eigenen Wirtschaft, die Ölindustrie, zur Debatte steht.
Jüngster Aufreger waren Aussagen Al-Dschabers bei einer Videokonferenz vor einigen Wochen, aus der die britische Zeitung "The Guardian" am Sonntag Aufnahmen veröffentlichte. Darin vor kam unter anderem ein hörbar frustrierter al-Dschaber, der gerade nicht im Bild ist, und zu drei beteiligten Frauen sagt: "Ich sage Ihnen: ich bin der Mann, der das Sagen hat". Außerdem sagte er, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ohne fossile Energieträger nicht möglich sei, wenn man nicht in die Steinzeit zurückkatapultiert werden wolle.
In einer Reaktion darauf sagte die Chefin des UN-Umweltprogramms (UNEP), Inger Andersen, sie lebe in Kenia, wo man mit Solarenergie und sauberem Strom versorgt werde. "Ich lebe nicht in einer Höhle. Das ist alles, was ich sagen kann."
Al-Dschaber irritierte in der Videokonferenz auch mit der Aussage, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gebe, dass nur mit einem Ausstieg aus fossilen Energien die angestrebte Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu erreichen sei. Letztlich seien eine Reduzierung und ein Ausstieg unvermeidbar, aber man müsse pragmatisch an die Sache herangehen, sagte al-Dschaber.
Schon vor Beginn der COP28 war umstritten, warum ein führender Öl-Manager die Funktion als Präsident der Klimakonferenz übernehmen soll. Seine jüngsten Äußerungen trugen nicht unbedingt dazu bei, seinen Ruf unter Umweltaktivisten zu verbessern. Diese zeigten nur Al-Dschabers Entschlossenheit, keine Durchbrüche auf der COP zuzulassen, die den Interessen der Öl- und Gasindustrie schaden könnten, sagte Mohamed Adow von der Organisation Power Shift Africa. Diese Äußerungen seien ein Weckruf für die Weltgemeinschaft und die Unterhändler auf der COP28, dass sie von der COP-Präsidentschaft keine Hilfe bekommen würden, was den Ausstieg aus fossilen Energieträgern angehe.
Bei seinem Auftritt vor den Journalisten am Montag betonte Al-Dschaber wie schon mehrfach zuvor, er sei "laser-fokussiert auf seinen Nordstern", das 1,5-Grad-Ziel. Zwischenzeitlich machte er aber eine lange Pause und arbeitete sich mehrere Minuten lang an der kritischen Medienberichterstattung über ihn ab. "Ich bin ziemlich überrascht über die ständigen und wiederholten Versuche, die Arbeit der COP28-Präsidentschaft zu untergraben, und die Versuche, die Botschaft zu untergraben, die wir immer wieder wiederholen, wenn es darum geht, wie sehr wir die Wissenschaft respektieren", sagte Al-Dschaber.
Später fügte er hinzu: "Ich habe das Gleiche schon viele Male gesagt und ich habe es sogar in meiner Eröffnungsrede bei der COP28 gesagt. Aber raten Sie mal? Es wurde kaum aufgegriffen. Aber eine aus dem Zusammenhang genommene Äußerung mit Missinterpretation über Missinterpretation bekommt maximale Berichterstattung."
Al-Dschaber beschwerte sich außerdem, dass er sich zu einem Thema am Tag vor UN-Generalsekretär António Guterres geäußert, aber nicht die selbe Aufmerksamkeit bekommen habe. "Gleiche Sache, überhaupt nicht aufgegriffen. Der Generalsekretär bekommt maximale Berichterstattung."
Seine Äußerungen, wonach er der Mann sei, der das Sagen habe, kommentierte Al-Dschaber nicht. Auf Nachfrage wollte er sich auch nicht dazu äußern, was seine roten Linien und konkreten Definitionen seien, wenn es um einen Ausstieg oder eine Reduzierung von fossilen Energieträgern gehe. Nach zwei Journalistenfragen verließ er den Saal.
Al-Dschaber und andere Funktionäre in den Vereinigten Arabischen Emiraten sind kritische Fragen der Medien kaum gewohnt. Diese sind entweder komplett staatlich kontrolliert oder stehen dem Staat nahe und geben offizielle Verlautbarungen oft Wort für Wort weiter. Die wenigen Proteste, die es gibt, werden meist im Keim erstickt. Vielfach wurden Kritiker schon bei der Ankunft am Flughafen festgenommen. Für den Klimagipfel wurden nun allerdings Aktivisten ins Land gelassen, selbst wenn sie kritisch gegenüber den Emiraten eingestellt sind.
Zu diesen Kritikern zählt auch der frühere US-Vizepräsident Al Gore, der in einem Interview der Nachrichtenagentur AP al-Dschaber direkt angriff. Dieser sei Chef "eines der größten und nach vielerlei Maßstäben dreckigsten Ölunternehmen der Welt", sagte Gore.