In seiner 50‑minütigen Rede hatte der CDU-Landesvorsitzende immer wieder die Ampelkoalition in Berlin attackiert. Die Wirtschaftspolitik bezeichnete Kretschmer als "desaströs" und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als "Kinderbuchautor". Der Bundesregierung sei es "gelungen, dieses Land innerhalb von zwei Jahren in die Asche zu fahren". Zugleich forderte der Regierungschef, dass die Energiewende "neu aufgesetzt" werden müsse.
Kretschmer machte indirekt auch die Berliner Ampel für das Erstarken der AfD mitverantwortlich. "Das Gerede über Brandmauern bringt nichts, wenn man der AfD nicht den Nährboden entzieht", sagte der Ministerpräsident und Parteichef mit Blick auf die Stimmungslage. Und weiter: "Die Leute lassen sich nicht mehr verarschen." Um Rechtspopulisten aus den Parlamenten zu drängen, brauche es eine gute, realistische Politik "ohne ideologische Scheuklappen".
In diesem Zusammenhang erneuerte Kretschmer auch seine Forderung nach einer Obergrenze für den Zuzug von Geflüchteten: "Die Zahlen müssen runter. Ansonsten wird es ein schlimmes Ende nehmen. Ein großer Teil der Bevölkerung trägt diese Form der irregulären Migration nicht mit." Die aktuellen Beschlüsse würden noch nicht für eine Begrenzung ausreichen.
Kretschmer ging anschließend auch auf die im nächsten Jahr bevorstehende Landtagswahl ein. "Es steht alles auf dem Spiel, was wir 33 Jahre lang aufgebaut haben", mahnte der Regierungschef. Ziel müsse sein, dass die CDU so erfolgreich abschneide, dass eine Regierung der bürgerlichen Mitte gebildet werden könne – "und sehr, sehr gern ohne die Grünen".
Einer Minderheitsregierung erteilte der seit Ende 2017 amtierende Ministerpräsident eine eindeutige Absage: "Dann kann jeder jeden erpressen. Das endet im Chaos." Als Beispiele nannte Kretschmer Thüringen und Sachsen-Anhalt, wo die Regierungen gelähmt sind beziehungsweise vor Jahren gewesen waren.
CDU-Generalsekretär Alexander Dierks hatte zuvor das Ziel ausgegeben, dass die Union "deutlich stärkste Partei" werden wolle. Zugleich erteilte er einer Zusammenarbeit mit der AfD eine klare Absage: Diese Partei sei strukturell rechtsextrem – "das kann und darf kein Partner für uns sein". Dierks wurde ebenfalls mit dem guten Ergebnis von 87,04 Prozent als Generalsekretär bestätigt.
Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hatte Kretschmer in einer Video-Grußbotschaft demonstrativ gestärkt: "Auf dich können sich die Sachsen verlassen. Du bist einer, der den Rücken gerade macht – ein richtiger Landesvater." Auch Merz hatte den Delegierten ins Gewissen geredet und die Landtagswahl in Sachsen als "für uns alle wichtig" bezeichnet. Daneben kündigte der CDU-Chef an, dass seine Partei "auch im Bund bald wieder die Hauptverantwortung übernehmen" wolle.
Auf dem Parteitag wurde auch die Riege von Kretschmers Stellvertretern neu gewählt. Erstmals wird es bei der sächsischen Union vier Vizeposten geben, die paritätisch besetzt werden, mit jeweils zwei Frauen und Männern. Mit Kulturministerin Barbara Klepsch (83,78 Prozent), Landtagsfraktionschef Christian Hartmann (89,19 Prozent) und Plauens OBM Steffen Zenner (91,44 Prozent) wurde das bisherige Stellvertreter-Trio hinter dem Parteivorsitzenden Kretschmer bestätigt.
Auf den neuen, vierten Platz wählten die Delegierten Sandra Gockel, die Landesvorsitzende der Frauen-Union, mit 53,66 Prozent. Damit setzte sich die Landtagsabgeordnete aus der Sächsischen Schweiz gegen Kretschmers Favoritin durch: Christiane Schenderlein, Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende in Nordsachsen, kam nur auf 42,34 Prozent. Ihre Nominierung hatte im Vorfeld für einige Kritik gesorgt. Die Frauen-Union stellte daraufhin Gockel als Gegenkandidatin auf.
Auf dem CDU-Landesparteitag wird zudem über das neue Grundsatzprogramm der Partei entschieden werden. Die bisherigen Leitlinien stammten noch aus dem Jahr 2011. "Wir wollen mehr Freiheit in dieser Zeit, in der der Staat immer übergriffiger wird", hatte Kretschmer vorab angekündigt. Und weiter: "Eine Teilzeit-Gesellschaft wird nicht funktionieren und nicht unseren Wohlstand sichern. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit."
Inhaltlich bekennt sich die Sachsen-Union etwa zum Kohlekompromiss, der einen Ausstieg erst 2038 vorsieht, und will die komplette Kostenfreiheit für den Meisterabschluss einführen. Auch Verbesserungen für die Gesundheitsversorgung gerade im ländlichen Raum sind avisiert.
Zum Thema Ehe heißt es: Diese sei die "verbindlichste Form des Zusammenlebens, in der Kinder den höchstmöglichen Schutz erfahren". Darüber hinaus werden auch andere Lebensformen akzeptiert: "Jeder entscheidet in unserem Land selbst, in welcher Beziehung er oder sie leben möchte. Falsch wäre es, wenn der Staat Vorgaben machte." Das Thema Gendern wird hingegen als "Symbolpolitik" bezeichnet, die in der Sache weder helfe noch eine Mehrheit in der Bevölkerung habe.