Lawrow warf dem Westen einen "Überlegenheitskomplex" vor. Von Fall zu Fall greife der Westen selektiv auf Normen und Prinzipien zurück, "ausschließlich auf der Grundlage seiner engstirnigen geopolitischen Bedürfnisse". Dies habe zu einer Erschütterung der globalen Stabilität sowie zur Verschärfung und Entstehung neuer Spannungsherde geführt. "Die Risiken globaler Konflikte sind gestiegen", anstatt sie einzudämmen und die Dinge auf einen friedlichen Weg zu bringen, sagte der russische Außenminister. Russland bestehe weiterhin darauf, dass alle Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen respektiert und angewendet werden, "nicht punktuell, sondern in vollem Umfang".
Russland hat eine frühe Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im UN-Sicherheitsrat zuvor vergeblich zu verhindern versucht. UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte am Mittwoch in New York, es gebe keinen Anlass, den ukrainischen Präsidenten zuerst reden zu lassen und die Sitzung in eine "Ein-Mann-Stand-up-Show" zu verwandeln. Der momentane Vorsitzende des Sicherheitsrates, der albanische Edi Rama, lehnte dies ab. Es kam in der Folge zu einem Schlagabtausch zwischen Nebensja und Rama, in dem Rama unter anderem sagte: "Können wir jetzt mit Ihrer Erlaubnis die Sitzung normal fortsetzen?" Selenskyj war kurz zuvor im Rat eingetroffen. Er setzte sich gegenüber von Nebensja an den runden Tisch.
US-Außenminister Antony Blinken hat unterdessen angemahnt, den täglichen Horror des Krieges für die Menschen in der Ukraine nicht zu vergessen. "Aus der bequemen Entfernung dieses Saales ist es wirklich einfach, aus den Augen zu verlieren, wie es für die ukrainischen Opfer russischer Aggression ist", sagte Blinken am Mittwoch bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York.
Er schilderte konkrete Beispiele von Kriegsgräueln in der Ukraine und beklagte, Russland bombardiere Gemeinden, Wohnhäuser, verschleppe Kinder, sperre Ukrainer unter brutalen Bedingungen ein, zerstöre Hilfsdepots und Getreidesilos. "Das ist, was ukrainische Familien jeden Tag durchleben. Das ist, was sie seit 574 Tagen dieser Invasion erleben. Es ist, was sie morgen erleiden werden, und am Tag danach." Russlands Präsident Wladimir Putin setze darauf, dass er nur weitermachen müsse mit der Gewalt und die Ukraine und die Welt irgendwann einknicken würden, sagte Blinken. "Aber die Ukrainer geben nicht auf", betonte er. "Und wir geben auch nicht auf."
Der US-Außenminister ging auch ein auf Bedenken aus Ländern des sogenannten Globalen Südens, die argumentieren, der Ukraine-Krieg halte die Welt davon ab, drängende andere Probleme anzugehen, wie etwa die Klimakrise oder die Erweiterung wirtschaftlicher Chancen auf der Welt. Dies sei eine falsche Wahl, sagte Blinken. "Wir können und müssen beides tun. Und wir tun beides."
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