Carles Puigdemont, der ehemalige katalanische Regionalpräsident und prominente Führer der Unabhängigkeitsbewegung, hat Spanien erneut ausgetrickst, indem er einer Festnahme während eines dramatischen Auftritts in Barcelona entkam. Nach seiner kurzen, aber medienwirksamen Rückkehr nach Spanien gelang es Puigdemont, sich erneut der spanischen Justiz zu entziehen und in seine belgische Exilheimat zurückzukehren.
Am Donnerstagabend erschien Puigdemont überraschend in Barcelona, wo er vor dem katalanischen Regionalparlament eine kurze Rede hielt. Seine Rückkehr nach Spanien kam trotz eines bestehenden Haftbefehls unerwartet. Puigdemont, der seit dem gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum von 2017 in Belgien im Exil lebt, war nach Spanien gereist, um symbolisch an der Wahl des neuen Regionalpräsidenten teilzunehmen.
"Nach einigen extrem schwierigen Tagen befinde ich mich heute in Waterloo," schrieb Puigdemont am Freitagmorgen auf X (ehemals Twitter), womit er auf die belgische Stadt anspielte, die er seit seiner Flucht aus Spanien sein Zuhause nennt.
Die katalanische Polizei, Mossos d'Esquadra, hatte nach Puigdemonts Erscheinen eine sofortige Festnahme geplant. Doch inmitten der jubelnden Menschenmassen und unter dem Schutz seiner Anhänger gelang es Puigdemont, sich dem Zugriff der Beamten zu entziehen. Er stieg in ein Auto, das von einem seiner mutmaßlichen Unterstützer gefahren wurde, und verschwand.
Zwei Mossos-Beamte, darunter der Besitzer des Fluchtfahrzeugs, wurden später festgenommen. Sie wurden nach einigen Stunden wieder freigelassen, stehen jedoch weiterhin unter dem Verdacht, Puigdemont bei seiner Flucht geholfen zu haben. Am Freitag wurde ein dritter Beamter in Zusammenhang mit dem Vorfall festgenommen.
Politische Reaktionen und Konsequenzen
Puigdemonts erneutes Entkommen löste scharfe Reaktionen aus. Der Vorsitzende der spanischen Oppositionspartei Partido Popular (PP), Alberto Núñez Feijóo, bezeichnete den Vorfall als "polizeiliche Nachlässigkeit" und forderte den Rücktritt der Innen- und Verteidigungsminister. "Was gestern passiert ist, ist unsäglich und darf nicht ungestraft bleiben," schrieb Feijóo auf X.
Justizminister Félix Bolaños wies jedoch die Verantwortung der nationalen Regierung zurück und erklärte, die Operation zur Festnahme Puigdemonts sei Aufgabe der Mossos d'Esquadra gewesen. "In Spanien muss das Gesetz respektiert und Gerichtsbeschlüsse müssen eingehalten werden," betonte der Minister.
Eduard Sallent, der Chef der Mossos d'Esquadra, verteidigte die Vorgehensweise seiner Beamten und betonte, dass die Ereignisse sehr schnell eskaliert seien. "Puigdemont war von einer Menschenmenge und Behörden umgeben, die offensichtlich darauf abzielten, das Handeln der Polizei zu behindern," sagte Sallent. Der Oberste Gerichtshof Spaniens hat bereits eine Untersuchung eingeleitet und fordert die Namen der verantwortlichen Beamten, die für den gescheiterten Einsatz verantwortlich waren.
Der Überraschungsauftritt Puigdemonts hat in der katalanischen Politik Wellen geschlagen. Während seiner kurzen Rede vor dem Parlament versicherte er seinen Anhängern, dass der Kampf für die Unabhängigkeit Kataloniens noch nicht vorbei sei. Allerdings deuten viele Beobachter an, dass sein Auftritt eher einem letzten großen öffentlichen Auftritt als einer strategischen Rückkehr gleichkommt.
Inmitten dieses Dramas wurde Salvador Illa, der Kandidat der sozialistischen Partei, zum neuen Präsidenten Kataloniens gewählt – der erste Regierungschef seit 2010, der nicht aus der Unabhängigkeitsbewegung stammt. Puigdemonts spektakuläre Flucht hat jedoch die Aufmerksamkeit von Illas historischem Wahlsieg abgelenkt.
"Katalonien muss nach vorne blicken," sagte Illa nach seiner Wahl und betonte, dass seine Regierung sich nun auf soziale Fragen wie Bildung und Wohnen konzentrieren werde – Themen, die in den letzten Jahren von der Unabhängigkeitsbewegung in den Hintergrund gedrängt worden waren.
Puigdemonts Flucht hat Spanien erneut vor Augen geführt, wie tief die politischen Gräben nach wie vor sind. Während seine Anhänger seinen Mut feiern, bleibt die Frage offen, wie lange Puigdemont seinem Schicksal noch entkommen kann.