Die Zeugenaussage Schmids gilt im Prozess gegen Kurz als entscheidend. Doch zunächst ging es im Gerichtssaal laut her. Kurz habe sich mit seinem Mitangeklagten, dem ehemaligen Kabinettchef Bernhard Bonelli, und seinen Anwälten mehrfach so laut unterhalten, dass Schmid die Fragen der Staatsanwaltschaft nicht verstehen konnte, berichten österreichische Medien. Der Richter forderte Kurz und Bonelli daraufhin auf, sich auseinander zu setzen.
Schon am Montag wurde Schmid als Zeuge vernommen. Wie erwartet belastete er den ehemaligen Regierungschef schwer. Kurz zeigte sich zuvor noch zuversichtlich: "Ich glaube, dass der heutige Tag einigen die Augen öffnen wird, mit welchen Methoden hier gearbeitet wird", sagte er vor Journalisten, die Haare wie gewohnt nach hinten gegelt, die Hände vor dem Oberkörper verschränkt.
Kurz nutzt die Auftritte vor Gericht für seine Botschaft. Für die Verbreitung seiner Version der Geschichte. Er sieht sich als Opfer des Systems, erhebt Vorwürfe gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die Anklagebehörde agiere rechtswidrig, lässt Kurz über seine Anwälte mitteilen. Schuldumkehr, Message-Control: das war schon zu Amtszeiten das Credo von Kurz und seinem Team. Deutungshoheit um jeden Preis.
Im Kern geht es darum, ob Kurz in den Jahren 2018 und 2019 Einfluss auf die Besetzung von Posten bei der Staatsholding Öbag ausgeübt hat. Laut Anklage soll er bei seiner Aussage im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss 2020 zu seiner Rolle bei der Postenbesetzung gelogen haben. Bei der Vorlage von Namen für den Öbag-Aufsichtsrat soll der ehemalige Kanzler ein Vetorecht gehabt haben, schildert der Zeuge Schmid.
Schmid selbst legte eine steile Beamtenkarriere hin und war enger Wegbegleiter während Kurz‘ Aufstieg zum Bundeskanzler. 2013 wurde Schmid als Kabinettschef ins Finanzministerium berufen. 2019 übernahm er den Alleinvorstand der Öbag. Laut Anklage habe Schmid den bedeutenden Wirtschaftsposten von seinem Buddy Kurz zugeschanzt bekommen. Schmid wiederum wird zur Last gelegt, die Ausschreibung für den Öbag-Vorsitz auf sich selbst zugeschnitten zu haben. Außerdem habe er sich den Aufsichtsrat, der ihn später formell bestätigte, selbst ausgesucht.
Chatnachrichten sollen den Postenschacher belegen. "Kriegst eh alles was du willst", schrieb Kurz 2019 mit drei Herzchen an seinen guten Freund. "Ich liebe meinen Kanzler", lautete Schmids Antwort. Und in einer anderen Nachricht schrieb Schmid einmal: "Du bist unser Leader!" Die beschlagnahmten Chats und das Geständnis Schmids stürzten den damaligen Bundeskanzler Kurz und dessen Partei, die ÖVP, in eine Krise.
Schmid selbst hat eine Kehrtwende hingelegt. Er will vor Gericht auspacken – gegen den ehemaligen Kanzler, gegen seinen "Leader" von damals. Damit versucht er sich selbst vor Strafe zu schützen. Denn auch gegen den 48-jährigen wird in mehreren anderen Verfahren ermittelt. Schmid soll unter anderem während seiner Tätigkeit im Finanzministerium Vereinbarungen mit der Boulevardzeitung "Österreich" und einem Meinungsforschungsinstitut getroffen haben. Gegen Inserate und Bezahlung hatten sie manipulierte Umfragen zu Gunsten von Kurz produziert und veröffentlicht. Das hat Schmid bereits gestanden.
Nun strebt er den Status als Kronzeuge an. Das Ziel: Strafmilderung. Schmid hat sich selbst stark belastet, hat sich und Kurz der Bestechung und Untreue bezichtigt und Ämterkorruption eingestanden. Einige Prozessbeobachter zweifeln an der Glaubwürdigkeit des möglichen Kronzeugen, der sich mit seiner Aussage gegen Kurz offenbar selbst in Sicherheit bringen will.
Andere wiederum sehen in der Aussage nur die Bestätigung dessen, was schon lange gemunkelt und auch von der Staatsanwaltschaft in Teilen angenommen wird: Für ihren Machtausbau haben sich Kurz und seine Konsorten in Politik, Wirtschaft und Medien ein Netzwerk aus Komplizen und Wohlgesinnten gesponnen. Teils mit unlauteren, teils mit illegalen Mitteln – und am Ende mit Lügen, um dies zu vertuschen.
Am Freitag bekräftigte Schmid nun seine Aussage zur Einflussnahme durch Kurz auf Postenbesetzungen bei der Öbag. Wie österreichische Medien berichten, wurde er von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mehr als sieben Stunden lang als Zeuge befragt. Am Abend wollte der Richter nochmal Kurz befragen. Ausgang und Ende des Prozesses sind weiter offen. Der nächste Termin ist am Montag, 18. Dezember.