Eigentlich wollte Habeck am Mittwoch bei einem Besuch in der Lausitz eine Reise in die Zukunft machen. Im Zuge des tiefgreifenden Strukturwandels soll eine Modellregion der Energiewende entstehen. Und so übergibt der Gast aus Berlin am Morgen einen Förderbescheid in Höhe von 28,5 Millionen Euro für ein Wasserstoff-Speicherkraftwerk. Es soll bis 2025 gebaut werden und einer der "Leuchttürme" beim Strukturwandel werden, für den der Bund Milliarden ausgeben will. Für Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) ist das Pilotprojekt eine Blaupause für die Kraftwerke der Zukunft.
Es werde immer gerne über einen Ausstieg debattiert, es gehe aber um einen Aufbau, sagt Habeck. Er lobt den "unbedingten Willen" der Projektgesellschaft, etwas Neues entstehen zu lassen. Das Pilotprojekt drohte zweimal an der Finanzierung zu scheitern, nun kann es offiziell starten - zufriedene Gesichter im Industriepark. Am Kraftwerk Schwarze Pumpe ist die Lage eine andere. Habeck wird von jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Betreibers Leag empfangen, die sich um ihre Zukunft sorgen. Deren Sprecherin Linda Rudolph hat auf einem Pappschild einen Vertragstext mitgebracht und will Habeck überreden, diesen zu unterschreiben, am Ende erfolglos. Zentraler Punkt: Der gesamtgesellschaftliche Konsens zum Kohleausstieg soll nicht in Frage gestellt werden.
Das zielt auf die Arbeit der Kohlekommission mit Vertretern unter anderem aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Kommunen der ein Ende der klimaschädlichen Kohleverstromung Schritt für Schritt bis 2038 empfohlen hatte - die Bundesregierung hat dies umgesetzt. Mittlerweile aber ist für das Rheinische Revier in Nordrhein-Westfalen beschlossen worden, dass der Kohleausstieg um acht Jahre vorgezogen wird. Das erhöht den Druck auf den Osten. Habeck hatte gesagt, ein auf 2030 vorgezogener Ausstieg müsse im Konsens vereinbart werden. In der Lausitz wollte er am Mittwoch eigentlich nicht über das Thema sprechen, dennoch ist es allgegenwärtig. Habecks Aussagen über einen Ausstieg schon 2030 hätten für Verunsicherung gesorgt, sagt Leag-Konzernbetriebsratschef Uwe Teubner. Die Menschen müssten sich auf einmal getroffene Entscheidungen verlassen können. Beim Strukturwandel seien zwar viele Projekte in der Pipeline, aber noch nichts erreicht worden.
Leag-Chef Thorsten Kramer betont, am Ausstiegsdatum 2038 solle nicht gerüttelt werden: "Erst Ausbau, dann Ausstieg." Es gelte das Gesetz zum Ende der Kohleverstromung. Das Unternehmen habe seine "Hausaufgaben" gemacht, stellt er klar und meint unter anderem den Bau des größten deutschen Zentrums für erneuerbare Energien. Mit einer Leistung von sieben Gigawatt könnten in Zukunft rechnerisch vier Millionen Haushalte sicher mit ökologischem Strom versorgt werden. Realisiert werden sollen die Photovoltaik- und Windkraftanlagen bis 2030 auf ehemaligen Bergbauflächen der Region.
An Habeck gerichtet sagt Kramer: "Wir haben ein gemeinsames Ziel: Den Umbau hin zu erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit." Er geht davon aus, dass die Kohlekraftwerke noch einige Zeit laufen werden.
Habeck lobt indes den "atemberaubenden Wandel" der Leag und deren Umbau. Verhandlungen über einen vorgezogenen Kohleausstieg aber würden an anderer Stelle geführt. Er verweist außerdem auf die Entwicklung der CO2-Zertifikate und macht klar, diese könne das Betreiben von Kohlekraftwerken ab 2030 unwirtschaftlich machen. Unternehmen müssen Rechte zum Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen nachweisen und können bei Bedarf damit untereinander handeln. Die Zahl dieser Zertifikate soll stärker verknappt werden. Außerdem werden kostenlose Zertifikate für die Industrie schrittweise abgebaut.
Die Leag hat dazu andere Modellrechnungen. Kramer macht deutlich: die Leag wolle in wasserstofffähige Gaskraftwerke investieren - das aber müsse sich rechnen. Die Bundesregierung hat sich zum Ziele gesetzt: Im Jahr 2030 soll 80 Prozent des Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne kommen, derzeit ist es etwa die Hälfte. Es gibt aber noch viele Stolperfallen, Planungs- und Genehmigungsverfahren für neue Windräder und Solaranlagen etwa dauern immer noch viel zu lange.
Aber 80 Prozent bedeuten auch: für den Rest sollen unter anderem wasserstofffähige Kraftwerke her - die dann einspringen, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Die Energiebranche aber klagt, bisher stimmten die Investitionsbedingungen nicht. Habeck will nun Anreize setzen und schon bald eine Kraftwerksstrategie vorlegen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) indes warnt vor Intransparenz und einem Alleingang Habecks bei den Verhandlungen mit der Leag. Das Versagen der grünen Klimapolitik in Lützerath dürfe sich im Osten nicht wiederholen, sagt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt.
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