Die Vorwürfe Shanu Pandes wiegen schwer. Ihr Vater, sagt sie dem Nachrichtenmagazin CBS News, "war der Gnade des Piloten und der Leute von Air Canada ausgeliefert. Doch sie waren unmenschlich und gefühllos". Pande, ihr Vater und ihre Schwiegermutter waren am 10. September im indischen Delhi an Bord einer Air-Canada-Maschine gegangen, um nach Montreal, Kanada zu fliegen. Vor dem Abflug fühlte sich Pant offenbar gut, er sei guter Dinge gewesen, sagt Pande.
Sieben Stunden nach dem Start abr hätten sich beim 83-Jährigen die ersten Krankheitserscheinungen gezeigt. "Er sagte, er habe starke Schmerzen in der Brust", so die Tochter. Außerdem hätte er nicht aufstehen können, er musste sich übergeben und verlor die Kontrolle über seinen Darm. Als sich der Zustand des Passagiers zu verschlimmern begann, befand sich das Flugzeug über Europa. Doch obwohl Pande das Kabinenpersonal anflehte, das Flugzeug umzuleiten und notzulanden, behielt der Pilot den Kurs bei.
Neun Stunden später landete die Maschine schließlich in Montreal. Zu spät. Am Flughafen warteten zwar schon die Sanitäter. Doch ihre Versuche, dem Patienten zu helfen, waren vergebens. In einem Montrealer Krankenhaus wurde er offiziell für tot erklärt. Todesursache: "mutmaßlicher Infarkt". Hätte Pant überlebt, wenn der Pilot der Bitte Pandes nachgekommen wäre und die Maschine spätestens in Irland notgelandet hätte? Ihr sei bewusst, sagt die Frau, dass ihr Vater womöglich trotzdem gestorbene wäre. Aber er sei der Chance, zu überleben, beraubt worden.
Indessen verwahrt sich Air Canada gegen den Vorwurf, für den Tod des Mannes verantwortlich zu sein. Über einen Sprecher ließ die Fluggesellschaft mitteilen, dass die Besatzung "die Verfahren für den Umgang mit medizinischen Notfällen" "ordnungsgemäß" befolgt und den Passagier "kontinuierlich" versorgt hätte. Dabei seien die Mitarbeiter von einem "medizinischen Team" eines "Boden-Luft-Dienstleisters" unterstützt worden.
Bei dem Dienstleister handelt sich um MedAire, einem in Phoenix, US-Bundesstaat Arizona ansässigen "SOS-Unternehmen", so die Selbstvermarktung, das der Crew und den Passagieren eines Flugzeugs medizinische und Sicherheitslösungen anbiete. Konkret sieht die Zusammenarbeit dem Air-Canada-Sprecher zufolge so aus, dass die Besatzung im Falle eines medizinischen Notfalls im Austausch mit Ärzten von MedAire steht, die den Zustand eines betroffenen Passagiers "beurteilen" und einen "Behandlungsplan erstellen".
In Pants Fall gibt es diesbezüglich aber offenbar einige Ungereimtheiten. Laut CBS News füllt der leitende Flugbegleiter normalerweise eine Checkliste aus. Diese erhalte der Pilot, der den Fall schließlich mit einem MedAire-Arzt bespreche. Ob auch eine Checkliste für Pant erstellt wurde, ist allerdings fraglich. Pande jedenfalls kann sich daran nicht erinnern. Auffallend auch, dass Air Canada sich weigerte, CBS News Auskunft über den Inhalt von Pants Checkliste zu geben.
Dafür ist der Konzern umso eifriger bemüht, die Verantwortung für eine wichtige Entscheidung von sich zu weisen. "Es ist wichtig, darauf hinzuweisen", erklärt der Sprecher, "dass nach sorgfältiger Beratung mit dem medizinischen Boden-Luft-Team eine Umleitung nicht empfohlen wurde." Offenbar wurde Pants Zustand für nicht schlimm genug befunden, als dass eine Notlandung gerechtfertigt wäre – und zwar nicht von der Air-Canada-Crew, sondern von den MedAire-Medizinern. Denn das impliziert die Erklärung des Sprechers: Umleitung wurde nicht empfohlen.
Damit aber wollen sich Shanu Pande und ihre Familie nicht abspeisen lassen. Ihr Schmerz über den Verlust sitzt noch immer tief. Und sie glauben, dass ihnen ein großes Unrecht angetan wurde. Und zwar von Air Canada, weshalb sie gegen die Fluggesellschaft Anklage erhoben haben.