In einem Krankenhaus im Gazastreifen sind nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums bei einem israelischen Luftangriff Hunderte Menschen getötet und verletzt worden. In der Klinik seien Tausende Flüchtlinge aus dem Norden der Küstenenklave untergebracht, teilte das Ministerium, das der militant-islamistischen Hamas untersteht, am Dienstagabend mit.
Israels Militär veröffentlichte am Mittwochmorgen Aufnahmen, die beweisen sollen, dass eine fehlgeleitete palästinensische Rakete für den tödlichen Einschlag in dem Krankenhaus im Gazastreifen verantwortlich sei. In dem Videozusammenschnitt sind Luftaufnahmen der Al-Ahli-Klinik und eines Parkplatzes zu sehen, auf dem ein Brand ausgebrochen war. Dabei sollen Hunderte von Menschen getötet worden sein.
Verglichen werden Luftaufnahmen vor und nach dem tödlichen Vorfall. Es sei kein typischer Krater zu sehen, wie er sonst bei israelischen Luftangriffen entstehe. Nach Angaben der Armee schlug dort stattdessen eine fehlgeleitete Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad ein. Diese wies die Schuldzuweisung zurück.
Der größte Teil der Schäden sei durch den Treibstoff in der Rakete und nicht durch den Sprengkopf verursacht worden, erklärte ein Militärsprecher. Der Treibstoff sei übrig geblieben, weil der Start fehlgeschlagen und die Rakete nicht so weit wie beabsichtigt geflogen sei. Nach Berichten des israelischen Geheimdienstes feuerte die Organisation Islamischer Dschihad am Dienstag um 18.59 Uhr etwa zehn Raketen von einem nahe gelegenen Friedhof ab. Genau zu dieser Zeit sei eine Explosion in der Klinik gemeldet worden, sagte der Sprecher. Die Hamas wisse das, habe aber dennoch eine weltweite Medienkampagne gestartet, um die Wahrheit zu vertuschen.
In einem von Israel abgefangenen Telefongespräch zwischen zwei Mitgliedern der Hamas sei ebenfalls von der Fehlfunktion einer palästinensischen Rakete die Rede gewesen. Außerdem gebe es Radaraufzeichnungen von einer Salve von Raketen, die kurz vor der Explosion vom Gazastreifen aus auf Israel abgefeuert worden sei. Die Armee habe auch Luftaufnahmen ausgewertet. Es gebe zwei unabhängige Videos, die als Beweis für eine fehlgeleitete Rakete dienten. Man werde diese Informationen sowie weitere Beweise an Israels Verbündete weitergeben, allen voran die USA.
Auch US-Präsident Joe Biden zufolge scheint die Explosion in dem Krankenhaus nicht auf einen Angriff von Israel zurückzugehen. Er sei zutiefst empört und traurig wegen der Explosion, sagte Biden kurz nach seiner Ankunft in Tel Aviv zu Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Nach dem, was ich gesehen habe, sieht es so aus, als ob es vom anderen Team gemacht wurde, nicht von Ihnen." Biden sagte weiter: "Aber es gibt eine Menge Leute da draußen, die sich nicht sicher sind."
Jordanien sagte nach dem Raketeneinschlag in das Krankenhaus ein für Mittwoch geplantes Treffen zwischen König Abdullah II. und Biden ab. Das Treffen, an dem auch Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi teilnehmen sollte, werde erst stattfinden, wenn es eine Einigung gebe, den Krieg zu beenden und "diese Massaker" zu stoppen, sagte Außenminister Aiman al-Safadi dem jordanischen TV-Sender Al-Mamlaka. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hatte seine Teilnahme an dem Treffen bereits zuvor aus Protest gegen den Raketenangriff auf das Krankenhaus zurückgezogen, wie ein hoher Vertreter der Autonomiebehörde laut Nachrichtenagentur AP sagte.
Abbas rief am Abend eine dreitägige Staatstrauer aus. Palästinensische Flaggen sollten auf halbmast gesetzt werden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa am Dienstag.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies eine Beteiligung Israels ebenfalls entschieden zurück: "Die ganze Welt sollte es wissen: Es waren barbarische Terroristen in Gaza, die das Krankenhaus in Gaza angegriffen haben", teilte Netanjahu am Dienstag mit. Es sei nicht das israelische Militär gewesen. "Diejenigen, die unsere Kinder brutal ermordet haben, ermorden auch ihre eigenen Kinder", teilte er weiter mit.
Im Internet kursierten Fotos angeblich aus dem Spital, die Feuer im Gebäude, zersplittertes Glas und verstreute Leichenteile in der Umgebung zeigen. Die Bilder konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich betroffen. "Ich bin entsetzt über die Bilder, die uns von der Explosion in einem Krankenhaus in Gaza erreichen", schrieb er am Mittwoch auf der Internet-Plattform X, früher Twitter. "Unschuldige wurden verletzt und getötet. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer." Der Kanzler schloss die Forderung an: "Es ist wichtig, dass dieser Vorfall sehr genau aufgeklärt wird."
Der französische Präsident Emmanuel Macron verurteilte den Raketeneinschlag in das Krankenhaus im Gazastreifen verurteilt. "Nichts kann einen Angriff auf ein Krankenhaus rechtfertigen", schrieb er in der Nacht zu Mittwoch auf der Plattform X. "Nichts kann es rechtfertigen, Zivilisten ins Visier zu nehmen." Die Umstände müssten in vollem Umfang aufgeklärt werden. Seine Gedanken seien bei den Opfern. Konkrete Schuldzuweisungen sprach er nicht aus. In einem weiteren Tweet forderte er, der Zugang für humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen müsse unverzüglich wieder geöffnet werden.
Unterdessen verurteilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Beschuss der Klinik im Gazastreifen scharf verurteilt und machte Israel dafür verantwortlich. Der Beschuss eines Krankenhauses, in dem Frauen, Kinder und unschuldige Zivilisten untergebracht seien, sei das jüngste Beispiel für israelische Angriffe, die frei seien von den grundlegendsten menschlichen Werten, teilte Erdogan am Dienstagabend auf X mit. Er rief die gesamte Menschheit dazu auf, diese in "in der Geschichte beispiellose Brutalität" zu stoppen.
Auch Ägypten verurteilte die angebliche Bombardierung eines Krankenhauses im Gazastreifen mit zahlreichen Opfern scharf und machte Israels Armee verantwortlich. Das Außenministerium in Kairo sprach am Dienstagabend von "vorsätzlichen Bombardierungen von Zivilisten". Diese seien ein Verstoß "gegen die grundlegenden Werte der Menschheit". Ägypten forderte das Nachbarland auf, seine "kollektive Bestrafung der Menschen im Gazastreifen sofort einzustellen".
Die im Libanon aktive pro-iranische Miliz Hisbollah rief nach dem Raketeneinschlag in dem Krankenhaus im Gazastreifen einen "Tag des beispiellosen Zorns" gegen Israel aus. Dieser richte sich auch gegen den für Mittwoch geplanten Solidaritätsbesuch von US-Präsident Joe Biden in Israel, teilte die Schiitenorganisation am späten Dienstagabend mit. Biden wolle das "kriminelle Regime unterstützen".
Die libanesische Miliz betonte, Worte der Verurteilung reichten nicht mehr aus. Sie forderte die Menschen in der arabischen und islamischen Welt auf, ihrer Empörung bei Protesten Ausdruck zu verleihen.
In mehreren muslimisch geprägten Ländern kam es am Dienstagabend zu spontanen Protesten. In Amman versuchten Demonstranten zur israelischen Botschaft zu gelangen, wie die jordanische Nachrichtenagentur Petra am Abend meldete. Berichte über die Stürmung des Gebäudes wiesen jordanische Sicherheitskreise den Angaben nach zurück. Die Demonstranten seien aus dem Bereich entfernt worden. Videos in den sozialen Medien zeigten, wie "zur Botschaft" skandieren.
Vor dem israelischen Konsulat in der türkischen Millionenmetropole Istanbul versammelten sich am Abend zahlreiche Demonstranten. Einige schwenkten palästinensische Flaggen und skandierten: "Nieder mit Israel!", wie eine Übertragung der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zeigte. Die Polizei war demnach mit einem Großaufgebot vor Ort, um das Konsulat im Stadtteil Levent zu schützen.
In Tunesiens Hauptstadt Tunis protestierten Hunderte nach dem Vorfall vor der Botschaft Frankreichs, wie die Staatsagentur TAP meldete. Auch im irakischen Bagdad versammelten sich Augenzeugen zufolge Hunderte im Zentrum der Stadt. In den südlichen Vororten von Beirut strömten Augenzeugen zufolge Hunderte Hisbollah-Anhänger auf die Straßen und forderten, Tel Aviv zu bombardieren. In Beirut setzte die Polizei laut Zeugenaussagen Tränengas gegen Demonstranten nahe der US-Botschaft ein.
Im Iran rief eine Menge im Stadtzentrum Teherans "Nieder mit Israel", wie Videos der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zeigten. Die Regierung erklärte Mittwoch zum Trauertag. Irans Außenamtssprecher verurteilte den Angriff aufs Schärfste und machte den Erzfeind Israel verantwortlich. Weit nach Mitternacht zogen Menschenmassen vor die britische Botschaft und schwenkten palästinensische Flaggen. Auch vor der französischen Vertretung gab es Proteste.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verurteilte den angeblichen Beschuss eines Krankenhauses im Gazastreifen scharf. In der Klinik, die auch Vertriebene beherbergt habe, seien nach ersten Berichten Hunderte Menschen getötet und verletzt worden, hieß es am Abend in einer Mitteilung der WHO. Die UN-Gesundheitsorganisation ließ in der Stellungnahme offen, wer für den Beschuss verantwortlich war.
Die WHO kritisierte erneut, dass Israel zur Evakuierung von Krankenhäusern im Norden des Gazastreifens - darunter die nun getroffene Klinik - aufgerufen hatte. "Die Evakuierung war bislang unmöglich", betonte die WHO und verwies auf die Sicherheitslage, den Zustand der Patienten, sowie den Mangel an Krankenwagen, Personal und alternativen Krankenhäusern.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verurteilten den Raketeneinschlag im Gazastreifen - und machten Israel dafür verantwortlich. Das Außenministerium des Golfstaats forderte am Dienstagabend eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten sowie, dass Zivilisten und zivile Einrichtungen nicht angegriffen werden.
Auch Marokko verurteilte die "Bombardierung" des Krankenhauses "durch israelische Streitkräfte aufs Schärfste". Das Land forderte, sicherzustellen, "dass Zivilisten von allen Parteien geschützt und nicht zur Zielscheibe werden". Auch Bahrain schloss sich der Kritik am "israelischen Bombenanschlag" an. Das Land unterstütze "alle regionalen oder internationalen Bemühungen zur Deeskalation und Beendigung der Gewalt".
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bestürzt über den verheerenden Raketeneinschlag in dem Krankenhauses. "Ich bin entsetzt über die Tötung Hunderter palästinensischer Zivilisten heute bei einem Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza, den ich aufs Schärfste verurteile", schrieb Guterres bei X. "Mein Herz ist bei den Familien der Opfer. Krankenhäuser und medizinisches Personal unterliegen dem Schutz des humanitären Völkerrechts."
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte eine lückenlose Aufklärung. "Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden", teilte er am späten Dienstagabend in Genf mit. Er rief die Staaten mit Einfluss in der Region auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die furchtbaren Ereignisse dort zu einem Ende zu bringen.
Er habe keine Worte für die Tragödie, so der Österreicher. "Dies ist völlig inakzeptabel. (...) Krankenhäuser sind unantastbar, und sie müssen um jeden Preis geschützt werden." Auch Zivilisten müssten jederzeit vor Kriegshandlungen sicher sein und sie müssten dringend mit humanitärer Hilfe versorgt werden. "Wir kennen den vollen Umfang des Blutbads noch nicht, aber klar ist, dass die Gewalt und das Morden sofort aufhören müssen", teilte Türk mit.
Nach beispiellosen Terror-Angriffen der Hamas, bei denen mehr als 1400 Menschen getötet und etwa 200 entführt wurden, fliegt Israel seit 7. Oktober praktisch pausenlos Luftangriffe auf den Gazastreifen. Das Gebiet ist abgeriegelt. In Vorbereitung einer möglichen Bodenoffensive gegen die Hamas nach hat das israelische Militär die Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen wiederholt aufgefordert, das Gebiet Richtung Süden zu verlassen. Nach UN-Angaben sind bisher rund eine Million Menschen in den Süden geflohen, die israelische Armee spricht von rund 600.000 Menschen.