Unmittelbar nach ihrer Ernennung durch Präsident Emmanuel Macron gerät die neue französische Regierung unter der Führung von Premierminister Michel Barnier bereits stark unter Druck. Kritik kommt sowohl von der linken Opposition als auch von den rechtspopulistischen Kräften, was die politische Lage im Land weiter destabilisiert. Der Vorwurf: Die Regierung repräsentiere weder den Willen der Wählerschaft noch bringe sie die notwendige Veränderung. Beide Lager drohen mit einem Misstrauensvotum, während die neue Regierung mit großen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen konfrontiert ist.
Politische Spannungen und erste Kritik
Die neue 39-köpfige Regierung, bestehend aus Mitgliedern von Macrons Lager sowie Vertretern der konservativen Republikaner, wurde am Samstagabend offiziell vorgestellt. Nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung wurde sie von Politikern der linken und rechtspopulistischen Opposition scharf kritisiert.
François Hollande, der frühere sozialistische Präsident Frankreichs, bezeichnete die neue Regierung als "schlingerndes Gespann", das schnellstmöglich gestürzt werden müsse. Auch Sébastien Chenu, der Vizechef des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), brachte umgehend ein Misstrauensvotum ins Spiel. Damit verdeutlichen beide Seiten ihre Unzufriedenheit mit der neuen Regierungskonstellation.
Zusammensetzung der neuen Regierung
Elf Wochen nach den vorgezogenen Parlamentswahlen stellte Präsident Macron seine Regierungsmannschaft vor. Premierminister Michel Barnier, ein langjähriger konservativer Politiker und ehemaliger EU-Kommissar, übernimmt die Führung. Zu den wichtigsten Kabinettsmitgliedern gehören der neue Außenminister Jean-Noël Barrot, der bislang als Europaminister tätig war und sich für eine gemeinsame EU-Schuldenaufnahme ausspricht, sowie Benjamin Haddad, der als neuer Europaminister künftig für die deutsch-französischen Beziehungen verantwortlich ist. Der junge, 33-jährige Antoine Armand wird zum Wirtschaftsminister ernannt und gilt als enger Vertrauter Macrons. Im Verteidigungsressort bleibt Sébastien Lecornu weiterhin im Amt.
Auf der linken Seite ist das Lager trotz des Wahlerfolgs nur schwach vertreten: Lediglich Didier Migaud, ein ehemaliger sozialistischer Abgeordneter, wurde zum Justizminister ernannt. Mehrere andere linke Politiker hatten es abgelehnt, in Barniers Kabinett mitzuwirken, da sie seine konservative politische Linie nicht mittragen wollten.
Proteste und Reaktionen der Opposition
Bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der neuen Regierungsmannschaft kam es in Paris und weiteren französischen Städten zu Protesten. Tausende Menschen gingen auf die Straßen, um ihre Unzufriedenheit mit der Zusammensetzung der Regierung zum Ausdruck zu bringen. Sie sahen die Ergebnisse der Parlamentswahl, in der das linke Lager die relative Mehrheit erzielt hatte, als missachtet an.
Auch politische Schwergewichte wie die rechtspopulistische Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen und der linke Populist Jean-Luc Mélenchon ließen kein gutes Haar an der neuen Regierung. Le Pen warf Macron vor, mit der neuen Regierung "weit entfernt von dem Wunsch nach Veränderung" zu sein, den die Wähler geäußert hätten. Mélenchon, der einst als Präsidentschaftskandidat angetreten war, sprach gar von einer "Regierung der Verlierer" und versprach, sie so schnell wie möglich abzuschaffen.
Besonders scharf fiel die Kritik des sozialistischen Parteichefs Olivier Faure aus, der die Regierung als "reaktionär" bezeichnete und sie beschuldigte, die Demokratie zu missachten. Faure argumentierte, dass dies die am weitesten rechts stehende Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg sei.
Anstehende Herausforderungen: Haushaltsdebatte und Reformdruck
Neben den politischen Spannungen sieht sich die neue Regierung auch mit erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Am 1. Oktober wird Premierminister Barnier in der Nationalversammlung seine Regierungserklärung abgeben und dabei die politischen Prioritäten der neuen Regierung vorstellen. Besonders drängend ist die Frage der Finanzpolitik: Frankreich steht unter einem EU-Defizitverfahren, da es gegen die Schuldenregeln der Europäischen Union verstoßen hat. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2025 muss bereits bis Anfang Oktober vorgelegt werden, sodass eine intensive und voraussichtlich kontroverse Debatte bevorsteht.
Premierminister Barnier hat bereits signalisiert, dass die Regierung nicht nur wirtschaftliche Themen in den Vordergrund stellen wird, sondern auch auf drängende Fragen der inneren Sicherheit und der Einwanderungspolitik eingehen möchte. Diese Themen, die traditionell von rechtspopulistischen Kräften wie dem Rassemblement National besetzt werden, könnten die innenpolitische Lage weiter verschärfen.
Der Einfluss des Rassemblement National und die instabile Mehrheit
Der Rassemblement National, der bei den Parlamentswahlen im Sommer 2024 die relative Mehrheit knapp verfehlt hatte, spielt nun eine Schlüsselrolle in der Nationalversammlung. Ohne eine klare Mehrheit ist die Regierung von Premierminister Barnier auf Unterstützung angewiesen – oder zumindest auf die Duldung durch Teile der Opposition. Der RN hat bereits signalisiert, dass er die Regierung genau beobachten und gegebenenfalls ein Misstrauensvotum unterstützen wird, insbesondere im Hinblick auf den anstehenden Haushalt. Die politische Instabilität bleibt somit weiterhin ein großes Risiko für die Regierung.
Die neue französische Regierung steht von Beginn an unter enormem Druck. Sowohl von links als auch von rechtsaußen hagelt es Kritik, während die Regierungsmehrheit brüchig ist und das Risiko eines Misstrauensvotums jederzeit droht. Neben den politischen Herausforderungen müssen Premierminister Barnier und sein Kabinett sich auch der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes stellen, insbesondere im Hinblick auf das EU-Defizitverfahren. Die kommenden Wochen und Monate werden entscheidend dafür sein, ob die Regierung in der Lage sein wird, Stabilität zu schaffen und die drängenden Probleme des Landes zu lösen, oder ob sie an der politischen Polarisierung und den internen Konflikten scheitern wird.