"Donald J. Trump ist der einzige Kandidat für das Amt des Speakers, den ich gegenwärtig unterstütze", schwärmte auch die Parlamentarierin Marjorie Taylor Greene.
Abgesehen davon, dass der gehuldigte Ex-Präsident zu dieser Zeit gerade einen Gerichtssaal in Manhattan verlassen hatte, wo er sich wegen der betrügerischen Aufblähung seines Vermögens verantworten muss, und auch sonst mit vier laufenden Strafverfahren und einer Präsidentschaftskandidatur gut beschäftigt scheint: Es gibt wohl niemanden, der ungeeigneter wäre, eine Fraktion zu führen und Mehrheiten zu schmieden als Trump. Der 77-Jährige liest keine Akten, verachtet parlamentarische Prozesse, führt autokratisch nach dem Hire-and-Fire-Prinzip und hat einst den Mob angestachelt, das Kapitol zu verwüsten.
Dieser Mann könnte der nächste Sprecher des Repräsentantenhauses werden? Noch sind die Vorstöße nicht mehr als das übliche Spektakel zynischer Politdarsteller, die den Kult um ihren Anführer aus persönlichem Karrierekalkül befeuern. Auch wenn die Verfassung theoretisch die Wahl eines Nichtkongressmitglieds erlaubt, wirkt der Gedanke abwegig. Aber was heißt das schon in diesen Chaos-Tagen im Kapitol?
Erstmals in 234 Jahren haben republikanische Hardliner den von ihrer Partei gestellten Sprecher des Repräsentantenhauses aus dem Amt gejagt. Nur neun Monate konnte sich Kevin McCarthy auf dem Posten halten. Nun herrscht Stillstand im Parlament. Ohne einen Speaker können dort keine Gesetze beschlossen werden. Die amerikanische Legislative ist paralysiert – rund 40 Tage vor einem drohenden Shutdown und mitten im Ukraine-Krieg.
Wie es nun weitergeht, scheint niemand zu wissen. Schon gar nicht Donald Trump. "Sichert die Grenze!", forderte er in der Nacht auf seiner Propagandaplattform Truth Social. Dabei haben seine Anhänger mit dem Putsch gerade verhindert, dass geplante zusätzliche Mittel für die Grenzsicherung auf den Weg gebracht werden können. Wesentlich dramatischer ist, dass dies auch für die Ukraine-Hilfe gilt.
Nichts geht ohne einen neuen Speaker, der das Repräsentantenhaus leitet und Vorlagen zur Abstimmung einbringt. Der kommissarische Sprecher Patrick McHenry hat die Abgeordneten für den kommenden Dienstag zur nächsten Sitzung eingeladen. Am Mittwoch, so der Plan, könnte über die Personalie abgestimmt werden. Ob es wirklich so kommt, ist fraglich. Bislang gibt es keinen Kandidaten, der die Mehrheit von 218 Stimmen auf sich vereinen könnte.
Ohne Unterstützung der oppositionellen Demokraten können sich die Konservativen nur vier Abweichler erlauben. Acht Hardliner unter Führung des halbseidenen Rechtspopulisten Matt Gaetz, der mit der Aktion auch Spenden für eine mögliche Gouverneurskandidatur in Florida generieren wollte, hatten McCarthy gestürzt. Offiziell werfen die Putschisten dem Ex-Speaker vor, dass er gemeinsam mit den Demokraten einen Übergangshaushalt ohne die von ihnen geforderten brutalen Sozialkürzungen beschlossen hatte. Tatsächlich war McCarthy zuvor in den eigenen Reihen mit mehreren Vorstößen inklusive dieser Einschnitte gefeiert worden. Tatsächlich dürfte es den meisten Aufständlern vor allem darum gehen, sich für ihre radikalisierte Basis als kompromisslose Kämpfer gegen den "Washingtoner Sumpf" zu inszenieren.
An dieser Gemengelage hat sich nichts geändert. Jeder neue Sprecher muss damit rechnen, innerhalb kürzester Zeit von den rechten Fundis zur Vertrauensfrage gezwungen und aus dem Amt gejagt zu werden. Attraktiv erscheint das kaum. McCarthy hat eine erneute Bewerbung ausgeschlossen. Als mögliche Nachfolger werden nun unter anderem sein früherer Stellvertreter Steve Scalise und der im Dauerattackenmodus operierende Ex-Wrestler und Trump-Verbündete Jim Jordan genannt.
Doch bei den innerrepublikanischen Machtkämpfen steht viel mehr auf dem Spiel als die Karriere des einen oder anderen Politikers. Der Trumpisten-Flügel lehnt nämlich weitere Ukraine-Hilfen ab. Zwar gibt es im Senat eine klare Mehrheit für eine Fortsetzung der militärischen Unterstützung. Aber es ist unklar, ob der neue Sprecher des Repräsentantenhauses den Willen und den Mut hat, sich wegen des Themas gleich mit der radikalen Minderheit in seinen Reihen anzulegen.
Eilig versuchte Joe Biden am Dienstag, in einer Schaltkonferenz die Verbündeten zu beruhigen. "Solange es nötig ist" würden die USA die Ukraine unterstützen, versicherte der Präsident, der beim Kongress 24 Milliarden Dollar beantragt hat. Doch bald könnte dies eine Frage des Möglichen werden. "Die Zeit ist nicht auf unserer Seite", gestand John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. Noch können bereits genehmigte Mittel abfließen. Aber in einem oder zwei Monaten, räumte Kirby ein, dürfte das amerikanische Geld für Waffen und Munition verbraucht sein.