Am 19. September 2024 brach der Sturm Boris mit voller Wucht über den Nordosten Italiens herein und verursachte schwere Überschwemmungen in der Region Emilia-Romagna. Diese Region, die bereits im Mai 2023 von verheerenden Fluten betroffen war, musste erneut eine Massen-Evakuierung hinnehmen. Die italienischen Behörden meldeten, dass rund 1.000 Menschen aus ihren Häusern evakuiert werden mussten, während starke Winde und Regenfälle weite Teile der Region unter Wasser setzten.
Die aktuellen Überschwemmungen rufen schmerzhafte Erinnerungen an die Ereignisse von Mai 2023 wach, als 17 Menschen ums Leben kamen und Sachschäden in Milliardenhöhe verursacht wurden. Die Region Emilia-Romagna war damals durch heftige Regenfälle überflutet worden, und obwohl seitdem zahlreiche Hochwasserschutzmaßnahmen eingeleitet wurden, scheinen diese nicht ausreichend gewesen zu sein, um die erneute Katastrophe zu verhindern. Lokale Bewohner äußern zunehmend ihren Frust und ihre Wut über die unzureichende Vorbereitung der Behörden. So berichtete ein Anwohner aus Faenza: "In meinem Haus steht schon wieder anderthalb Meter Wasser, obwohl ich es gerade renoviert habe."
Der Sturm Boris ist nur ein weiteres Beispiel für die wachsende Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse in Europa, die Experten auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückführen. Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf speichern, was zu intensiveren Regenfällen und infolgedessen zu häufigeren Überschwemmungen führt. In Italien haben sich diese extremen Wetterereignisse in den letzten Jahren gehäuft – von Hitzewellen und Dürren bis hin zu Stürmen und schweren Regenfällen.
Irene Priolo, die amtierende Präsidentin der Region Emilia-Romagna, verteidigte die getroffenen Maßnahmen und erklärte, dass seit den Überschwemmungen im letzten Jahr viele Bauarbeiten durchgeführt wurden. Dennoch ist die Bevölkerung skeptisch, da die jüngsten Überschwemmungen zeigen, dass die getroffenen Maßnahmen offensichtlich nicht ausgereicht haben, um erneute Zerstörungen zu verhindern.
Nicht nur Italien leidet unter den Auswirkungen des Sturms Boris. Auch andere Länder in Mittel- und Osteuropa wie Österreich, die Tschechische Republik, Polen und Rumänien haben hohe Verluste hinnehmen müssen. Insgesamt forderte der Sturm in der Region bisher 24 Todesopfer, und die Zahl könnte weiter steigen. Der tschechische Innenminister Vit Rakusan bestätigte, dass allein im Nordosten Tschechiens fünf Menschen ums Leben gekommen sind, während acht weitere vermisst werden. In Österreich und Polen wurden jeweils sieben Todesopfer gemeldet, in Rumänien ebenso.
Das Militär und Rettungskräfte sind in vielen betroffenen Ländern im Dauereinsatz. Besonders in der Tschechischen Republik und in Polen wurden Soldaten zur Unterstützung der Rettungsaktionen entsandt. In Ungarn hat Premierminister Viktor Orbán fast 6.000 Spezialkräfte mobilisiert, um beim Hochwasserschutz entlang der Donau zu helfen, wo der Pegel bereits besorgniserregend gestiegen ist.
Angesichts der dramatischen Lage in Mitteleuropa plant Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, einen Besuch in den betroffenen Regionen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. In Polen, wo die Hochwassergefahr besonders groß ist, lud Premierminister Donald Tusk von der Leyen nach Breslau ein, um über die internationalen Hilfsmaßnahmen zu sprechen. Auch die Regierungschefs der Tschechischen Republik, der Slowakei und Österreichs sollen an dem Treffen teilnehmen.
In Italien wächst der politische Druck auf die Regierung von Giorgia Meloni, mehr für den Klimaschutz und die Hochwasservorsorge zu tun. Angelo Bonelli von der Partei Alleanza Verdi e Sinistra kritisierte die Regierung scharf: "Es gibt keinen Willen, sich der Klimakrise zu stellen. Die Wahrheit ist, dass die Klimakrise wirtschaftliche und menschliche Schäden verursacht, und wir müssen dringend handeln."
Gleichzeitig werfen einige Abgeordnete der rechtsgerichteten Regierung der Region Emilia-Romagna vor, die zur Verfügung gestellten Gelder nicht effizient genutzt zu haben. Alice Buonguerrieri, eine Abgeordnete von Melonis Partei "Brüder Italiens", kündigte an, die Staatsanwaltschaft einzuschalten, um die Verantwortlichkeit für die jüngsten Überschwemmungen zu klären. Es sei nicht akzeptabel, dass nur ein Bruchteil der 130 Millionen Euro, die im letzten Jahr für Hochwasserschutzmaßnahmen bereitgestellt wurden, tatsächlich genutzt wurde.
Die erneuten Überschwemmungen in Italien und ganz Mitteleuropa verdeutlichen einmal mehr, dass der Klimawandel und die damit verbundenen extremen Wetterereignisse bereits Realität sind. Es bedarf umfassender politischer, wirtschaftlicher und technologischer Maßnahmen, um die betroffenen Regionen besser zu schützen und die Infrastruktur widerstandsfähiger zu machen. Der Ruf nach mehr Klimaschutz wird immer lauter – und die aktuelle Krise zeigt, dass es keine Zeit mehr zu verlieren gibt.
Die kommenden Wochen werden entscheidend sein, um das volle Ausmaß der Schäden zu begutachten und langfristige Lösungen auf den Weg zu bringen. Sowohl Italien als auch seine europäischen Nachbarn stehen vor der Herausforderung, nicht nur die aktuellen Überschwemmungen zu bewältigen, sondern sich auch für zukünftige Ereignisse besser zu wappnen.