Menschenrechtler bezeichneten das Vorhaben als "Angriff auf die Gewaltenteilung". Erstmals vorgeschlagen wurden die britischen Ruanda-Pläne von Ex-Premier Boris Johnson im April 2022. Damals geriet die Regierung zunehmend unter Druck, gegen die wachsende Zahl illegaler Migranten vorzugehen, die mithilfe von Schleppern nach Großbritannien kamen. Um diese von der gefährlichen Überfahrt abzuschrecken, sollten irreguläre Einwanderer in Lagern interniert und dann auf schnellstem Wege nach Ruanda ausgeflogen werden. Dort sollten sie dann in Unterkünften auf die Bearbeitung ihrer Asylanträge warten. Eine Rückkehr nach Großbritannien war nicht vorgesehen.
Das erste Flugzeug sollte im Juni 2022 abheben, doch die Zahl der Passagiere schrumpfte immer weiter, nachdem die Betroffenen gegen das Vorhaben geklagt hatten. Schließlich schritt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein und der Flug wurde in letzter Minute gestoppt. Die konservative Regierung hielt dennoch an ihrem Plan fest, der schließlich alle rechtliche Instanzen durchlief. Im Juni erklärte ein britisches Gericht das Vorhaben für illegal. Ruanda sei nicht sicher, hieß es. Dieses Urteil wurde Mitte November schließlich vom Supreme Court, dem obersten Gerichtshof des Landes, bestätigt.
Statt einzugestehen, dass das Vorhaben gescheitert war, hielt Sunak weiter an den Plänen fest, auch um gegenüber der Labour-Partei klare Kante zu zeigen. Noch am selben Tag versprach er einen neuen Deal mit dem ostafrikanischen Land und einen Gesetzesentwurf, der es dem Parlament erlauben sollte, Ruanda zu einem sicheren Land zu erklären – unabhängig davon, was das Oberste Gericht beschlossen hatte. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) solle nichts mehr zu sagen haben. "Ich werde nicht zulassen, dass ausländische Gerichte Flüge blockieren", sagte er.
Doch seit Sunak den Gesetzentwurf vorgelegt hat, weht ihm ein kalter Wind entgegen. Während Teile der Partei die Einhaltung des Völkerrechts sicherstellen wollen, reicht der Entwurf einer größer werdenden Zahl rechtskonservativer Tories nicht aus, da der EGMR in Einzelfällen weiter eingreifen könne. Sie sehen dadurch die für das Frühjahr angekündigten Flüge und damit die Zukunft der Partei in Gefahr. "Die Tories stehen bei den Wahlen vor dem Aus", warnte Ex-Innenministerin Suella Braverman, die kürzlich unter anderem wegen ihrer hetzerischen Wortwahl ihren Job verlor. Robert Jenrick, ein langjähriger politischer Weggefährte Sunaks, schloss sich ihrem Urteil an und trat am Mittwoch als Staatsminister für Migration zurück.
Die britische Journalistin Beth Rigby verglich die Situation in der Tory-Partei mit dem Ringen zwischen Ex-Premierministerin Theresa May und Boris Johnson um den Brexit. Es seien "zwei Lager, die sich nicht einig sind, wie es weitergehen soll". Beim Thema Migration kommt es schnell zu Streit und hitzigen Debatten. Ein Phänomen, das auch in der EU zu beobachten ist, wo sich die Länder nicht auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) einigen können. Am kommenden Dienstag stimmen die britischen Parlamentarier zum ersten Mal über den Entwurf ab. Ein entscheidender Moment für Sunak.
Deutlich wichtiger als die Debatte über die Zukunft der Tories ist Menschenrechtlern zufolge jedoch die Tatsache, dass die Regierung die Rechtsprechung untergraben will. Der Oberste Gerichtshof habe festgestellt, dass Ruanda kein sicheres Land sei, sagte Akiko Hart von der Menschenrechtsorganisation "Liberty". Den Versuch der konservativen Partei, diese Feststellung nun rückgängig zu machen, bezeichnete sie als "Verfassungsvandalismus". Eine Regierung dürfe nicht selbst entscheiden, wann Grundrechte gelten.