Doch nun hofft der Premier, dass die Umweltzone den Trend stoppt. Die Ultra Low Emission Zone (ULEZ) in London, in der nur Fahrzeuge mit niedrigem Schadstoffausstoß unterwegs sein dürfen, war einst vom konservativen Bürgermeister Boris Johnson für das Londoner Stadtzentrum ins Leben gerufen worden. Ziel: bessere Luft für die Bewohner der britischen Hauptstadt und die zahlreichen Touristen. Nun lässt Johnsons Nachfolger Sadiq Khan die Umweltzone massiv ausdehnen, von diesem Dienstag (29. August) an gilt sie im gesamten Stadtgebiet.
Doch viele Autofahrer lehnen das Vorhaben vehement ab - und hier kommen Sunaks Tories ins Spiel. Als vor kurzem im Wahlkreis Uxbridge and South Ruislip ein Nachfolger für den zurückgetretenen Boris Johnson gewählt wurde, gewann - völlig gegen den Trend - der Tory-Kandidat. Er hatte seinen Wahlkampf ausschließlich gegen die ULEZ-Ausdehnung geführt. Sein Erfolg dient nun Sunak als Vorbild. Denn entscheidend ist: Bürgermeister Khan gehört zur Labour-Partei und ist längst zur Zielscheibe der Regierung geworden. Auch in London wird 2024 gewählt, bisher fielen die Konservativen in der Hauptstadt vor allem mit einer chaotischen Kandidatenkür auf.
Sunak zeigt sich nun demonstrativ an der Seite der 30 Millionen Autofahrer in Großbritannien. "Die gewaltige Mehrheit der Menschen im Land nutzt ihre Autos, um herumzukommen und ist von ihren Autos abhängig", betonte er nach der Uxbridge-Wahl. Dass ländlich geprägte Gegenden wie Sunaks Wahlkreis mit der Weltstadt London nicht zu vergleichen sind, dass auch die Städte Birmingham oder Bath eine Umweltzone haben - geschenkt.
Um kostenlos in der Umweltzone zu fahren, müssen Autos bestimmte Emissionsstandards erfüllen. Bei Benzinern ist der Euro-4-Standard den Londoner Behörden zufolge normalerweise ab einer Erstzulassung ab 2005 erfüllt, bei Diesel-Fahrzeugen die Euro-6-Norm meist ab September 2015. Für Fahrzeuge mit höherem Schadstoffausstoß wird eine tägliche Gebühr von 12,50 Pfund (gut 14,50 Euro) fällig. Wer nicht zahlt, muss mit 180 Pfund Strafe rechnen, oder 90 Pfund, wenn innerhalb von zwei Wochen gezahlt wird. Anfangs, so signalisierte City Hall, würden aber eher Warnungen verteilt als Strafen. Auch Touristen müssen aufpassen: Selbst wenn ihre Fahrzeuge umwelttauglich sind, müssen sie sich vorher online anmelden.
Bürgermeister Khan schieße mit Kanonen auf Spatzen, kritisierte der für die Stadt London zuständige Staatssekretär Paul Scully. Firmen, Wohltätigkeitsorganisationen und Menschen mit niedrigen Einkommen würden benachteiligt. Nach Berechnungen des Autodienstleisters RAC sind 690.000 Fahrzeuge in London betroffen, da sind Pendler oder Besucher von außerhalb der Stadtgrenzen nicht einberechnet. Zwar stellt die Stadt finanzielle Unterstützung für Umrüstungen oder Neukäufe bereit. Für viele Menschen wird das aber kaum reichen.
Manche reagieren radikal. In den vergangenen Monaten wurden fast 300 der 2750 neu aufgestellten Kameras beschädigt oder gestohlen, wie die Polizei mitteilte. Benachbarte, konservativ geführte Gemeinden wollen auf ihrem eigenen Gebiet keine Hinweisschilder für ULEZ aufstellen. Hingegen profitieren Oldtimer-Verkäufer: Weil vor 1983 gebaute Fahrzeuge von den Regeln ausgenommen sind, haben Autoexperten einen wahren "Run" ausgemacht. Finanziell lohnt sich die Umweltzone durchaus. Zwischen Oktober 2021 und April 2023 brachte sie 320 Millionen Pfund ein. Konservative ätzen, mit der Ausdehnung wolle der Bürgermeister vor allem seinen Haushalt ausgleichen.
Das weist Khan zurück, eine kurzfristige Kehrtwende hat er wiederholt ausgeschlossen. Vielmehr betont Khan stets, bei 90 Prozent der Fahrzeuge gebe es gar keine Probleme. Und schließlich könnten "Millionen Londoner mehr klare Luft atmen". Seine Partei aber äußert sich lieber gar nicht mehr zum Thema.
dp/fa