Die Stimmung vor Ort ist gespalten. Während einige Bewohner in Neu-Mühlrose sagen, dass die Umsiedlung das Beste sei, das ihnen hätte passieren können, weigern sich einige Zurückgebliebene, in die Neubausiedlung zu ziehen. "In Neu-Mühlrose ist alles eng aneinandergeklatscht, und Bäume gibt es auch nicht", sagt die zurückgebliebene Mühlroserin Susann Zech. Mit der Tatsache, dass sie umziehen müssen, hätten sich die meisten allerdings abgefunden. Anders als in Lützerath, wo Aktivisten bis zuletzt um den Erhalt des Dorfes kämpften, herrscht in Mühlrose ein Gefühl der Resignation - obwohl derzeit noch heiß über einen eventuell früheren Kohleausstieg - vor 2038 - diskutiert wird.
Für das Rheinische Revier im Westen hingegen ist der Kohleausstieg 2030 mittlerweile beschlossene Sache. Dennoch musste das Dorf Lützerath, für die Klimaschutzbewegung ein symbolischer Ort und für manche Aktivisten auch zeitweise Heimat, weichen. Tagelang bestimmten die Bilder von Polizei-Hundertschaften und Aktivisten, die sich in Schlamm und Kälte gegenüberstanden, die Nachrichten. Eine auch nur annähernd vergleichbare Aufmerksamkeit haben die ostdeutschen Tagebau-Gebiete nicht erregt. Erst jüngst wurde in Mühlrose gegen ein von Klimaaktivisten geplantes Klimacamp mit einer Menschenkette protestiert. Die Menschen fürchteten Zustände wie in Lützerath und machten deutlich, dass die Mehrheit sich für eine Umsiedlung entschieden hatte. Kurz darauf wurde das Camp von den Aktivisten abgesagt. "Ich finde das Quatsch. Wenn, dann hätten sie das vor 20 Jahren machen müssen", sagt Zech.
Umweltverbände und Klimaschutzinitiativen lassen sich davon nicht abhalten und wollen am Sonntag am Tagebau Nochten für einen vorzeitigen Kohleausstieg demonstrieren. "Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit" müssten an erster Stelle stehen, fordern die Aktivisten der Initiative Alle Dörfer bleiben. Sie wollen unter anderem um den Erhalt des Dorfes kämpfen.
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte vereinbart, den Kohleausstieg "idealerweise" von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wirbt nun um eine Vereinbarung auch für die ostdeutschen Tagebaugebiete. Die Gespräche laufen nach Auskunft seines Ministeriums. Man sei "im kontinuierlichen Austausch mit der gesamten Energiewirtschaft, auch mit Leag und den betroffenen Bundesländern". Der Energiekonzern Leag baut Braunkohle in der Lausitz ab und betreibt Kraftwerke. Ob Ergebnisse in Aussicht stehen und wann, ist nicht zu erfahren.
Die Grünen argumentieren mit dem Klimaschutz. Aus Sicht von Habeck läge ein - womöglich mit Fördermitteln flankierter - Ausstieg im Osten aber auch im wirtschaftlichen Interesse der Menschen dort. Mit der Verschärfung des europäischen Emissionshandels rechne sich die Stromerzeugung aus Kohle ab 2030 nicht mehr. Beim Emissionshandel müssen Unternehmen Rechte zum Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen nachweisen. Die Zahl dieser Zertifikate soll stärker verknappt werden. Außerdem werden kostenlose Zertifikate für die Industrie schrittweise abgebaut.
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