Am Mittwochabend wurde Priscilla Thevenot, die für das von Präsident Macron geführte zentristische Bündnis Ensemble kandidiert, während einer Plakataktion in der Nähe von Paris angegriffen. Begleitet von ihrem Stellvertreter und einem Parteiaktivisten wurde die Gruppe von einer Bande überfallen. Während Thevenot selbst unverletzt blieb, erlitten ihre beiden Begleiter schwere Verletzungen und mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Einem von ihnen wurde der Kiefer gebrochen.
"Gewalt ist keine Antwort. Ich führe meinen Wahlkampf weiter," erklärte Thevenot entschlossen auf der Social-Media-Plattform X. Sie erstattete Anzeige, und die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein, ohne jedoch bisher nähere Angaben zu den Tätern oder deren Motiven zu machen. Vier Personen, darunter drei Minderjährige, wurden in Gewahrsam genommen.
Thevenot äußerte bereits vor dem Angriff ihre Besorgnis über die Zunahme rassistischer Vorfälle im Wahlkampf. In einem Interview sagte sie: "Als Mutter zweier Kinder macht mir das Angst." Die Tatsache, dass ein Kandidat der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN) ihr nahelegte, "auf ihre Insel zurückzukehren," verdeutlicht die bedrückende Realität des Rassismus im gegenwärtigen politischen Diskurs.
Die RN steht besonders im Fokus, nachdem das Investigativ-Magazin "Mediapart" eine Liste von 80 "problematischen" Kandidaten veröffentlichte. Diese Liste umfasst Kandidaten, die durch rassistische und extremistische Äußerungen aufgefallen sind. Marine Le Pen, die Vorsitzende der RN, musste einräumen, dass es in ihrer Partei "schwarze Schafe" gebe, verteidigte jedoch viele ihrer Mitglieder und kritisierte die Medien für deren "inquisitorisches" Verhalten.
Die Übergriffe beschränken sich jedoch nicht nur auf Kandidaten der zentristischen Parteien. Auch Vertreter der RN wurden attackiert, was die allgemeine Eskalation der Gewalt im Wahlkampf unterstreicht. Gesundheitsminister Frédéric Valletoux warnte vor den zunehmenden Spannungen und den damit verbundenen Risiken: "Beschimpfungen bei Ortsterminen arteten schnell aus."
Die entscheidende Runde der Parlamentswahl am Sonntag ist von diesen Vorfällen überschattet. Obwohl der RN in Umfragen vorne liegt, ist die genaue Sitzverteilung schwer vorherzusagen. Die politische Landschaft ist fragmentiert, und in vielen Wahlkreisen haben sich Kandidaten zurückgezogen, um die Chancen des jeweiligen RN-Kandidaten zu verringern. Nur noch in 501 von 577 Wahlkreisen wird gewählt, nachdem sich bereits 76 Kandidaten in der ersten Runde durchgesetzt haben.
Der aktuelle Wahlkampf offenbart die tiefen Risse in der französischen Gesellschaft. Die Zunahme von Gewalt und Hassverbrechen zeigt, wie polarisiert und angespannt die politische Situation ist. Die kommenden Tage und Wochen werden entscheidend sein für die Stabilität und die Zukunft des politischen Systems in Frankreich. Der Angriff auf Priscilla Thevenot und die anhaltenden rassistischen Anfeindungen werfen die dringende Frage auf, wie Frankreich diese Spannungen überwinden und zu einem respektvollen und friedlichen politischen Diskurs zurückkehren kann.