Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer nicht lang genug eingezahlt hat, um Anspruch auf eine volle Rente zu haben, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen.
Die Rentenreform gilt als eines der wichtigsten Vorhaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron - aber in der Bevölkerung stoßen seine Pläne auf Unverständnis, Wut und Protest. Erneut sind für heute Massendemonstrationen und ein großer Streik angekündigt. Steht dem liberalen Präsidenten eine neue Protestbewegung ins Haus, die ihm gefährlich werden kann? Ist die Reform wirklich ein notwendiges Übel, wie es die Regierung darstellt? Knapp zwei Drittel der Französinnen und Franzosen sprachen sich in Umfragen gegen das Reformvorhaben aus.
Dass es eine Änderung braucht, legen offizielle Prognosen nah, die für die kommenden Jahre Defizite der Rentenkasse aufzeigen. Macron und die Regierung pochen mit Verweis auf die Zahlen darauf, dass eine Anhebung des Rentenalters notwendig sei. Monika Queisser, Sozialpolitikexpertin bei der Industriestaatenorganisation OECD, gibt zu bedenken: "In jedem Umlagesystem gibt es grundsätzlich drei Stellschrauben: das Rentenalter, die Rentenhöhe und den Beitragssatz.
Zusätzlich können Länder natürlich auch Steuerzuschüsse leisten, wie das in Deutschland mit dem Bundeszuschuss der Fall ist." Queisser erklärt, dass der Beitragssatz in Frankreich mit rund 28 Prozent vom Bruttolohn schon hoch sei, und die Renten den Prognosen zufolge langfristig sinken würden. "Die Anhebung des Rentenalters bringt gleichzeitig mehr Beiträge in die Rentenkassen und reduziert die Ausgaben für Renten, da diese erst später ausgezahlt werden."
Die Proteste zeigen Wirkung. Selbst in Macrons Fraktion gibt es Abgeordnete mit Vorbehalten, ebenso bei den konservativen Républicains, mit deren Stimmen die Regierung die Reform durchs Parlament zu bringen hofft. Regierungschefin Élisabeth Borne versucht nun, die Républicains mit Zugeständnissen zum Ja zu bewegen. Am Montag begann die Debatte in der Nationalversammlung. Anschließend ist der Senat am Zug, die zweite Kammer.
Macron lässt Borne die Kämpfe ausfechten. Von den Protesten scheint er unbeeindruckt. Vielleicht, weil er mit Ablauf seiner zweiten Amtszeit ohnehin nicht erneut zur Wahl antreten kann. Vielleicht, weil er trotz etlicher Krisen und dem Massenproteste in seiner ersten Amtsperiode noch einmal gewählt wurde und sich nun immun gegen allen Protest wähnt. Dennoch, sollte das Reformvorhaben scheitern, wäre Macron für seine im Amt verbleibenden vier Jahre geschwächt.
Agenturen/pcl