Der ukrainische Präsident Selenskyj warb um die Zustimmung im Repräsentantenhaus, weil die Hilfe auch den USA selber helfe. "Sie wird sich für unsere gemeinsame Sicherheit auszahlen", sagte er. Es gehe in dem Konflikt nicht nur um die Ukraine, sondern um alle Länder, deren Unabhängigkeit durch Russland bedroht werden könnte. Kremlchef Wladimir Putin habe sich nie nur auf die Ukraine beschränken wollen, "seine Ziele sind viel weiter gefasst", sagte Selenskyj. "Umso umfassender ist Solidarität bei der Verteidigung nötig."
Auf den ersten Blick haben Ukraine-Hilfen mit Migration in die USA nicht viel zu tun. Republikanische Hardliner bringen diese Themen aber aus Wahlkampf-taktischen Gründen miteinander in Verbindung - allen voran der aktuelle Präsidentschaftsbewerber, Ex-Präsident Donald Trump. Der 77-Jährige und seine Anhänger vertreten die Position, Steuergeld solle zuallererst für den Schutz der eigenen Grenze ausgegeben werden und nicht für den Schutz anderer Länder. Die Situation ist so festgefahren, dass Biden und seine Demokraten sogar den sonst eher hinter vorgehaltener Hand geäußerten Umstand betonen, dass ebendieses Steuergeld zurück in die US-Waffenindustrie fließt - also letztlich der eigenen Wirtschaft dient.
Die USA gelten als wichtigster Unterstützer der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Allein an militärischer Hilfe haben die Vereinigten Staaten seit Kriegsbeginn mehr als 44 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt. Hinzu kommen weitere Milliarden an wirtschaftlicher und humanitärer Unterstützung. Um weiteren Nachschub zu sichern, hatte Biden schon im Oktober neue Milliarden-Hilfen beim Kongress beantragt. Doch bereits da kündigte der rechte Flügel der Republikaner im Repräsentantenhaus Widerstand an.
Konkret werfen die Republikaner Biden und den Demokraten vor, an der Südgrenze des Landes nicht hart genug durchzugreifen. Täglich kommen Tausende Menschen in die USA, mehrheitlich aus Lateinamerika und der Karibik, weil sie vor Armut und Konflikten in ihren Heimatländern fliehen. Im Dezember berichtete die US-Grenzpolizei von rund 250.000 Festnahmen - so viele wie nie zuvor innerhalb eines Monats. Die Behörden stehen unter Druck. Das Justizsystem kommt bei der Bearbeitung der Asylgesuche kaum hinterher. Es fehlt außerdem an Unterbringungsmöglichkeiten und anderen Ressourcen für die Ankömmlinge. Das ist auch in Bundesstaaten fernab der Grenze inzwischen spürbar.
Mitten im Wahljahr ist das Thema noch mal größer. Das zeigt auch der Vorstoß der Republikaner, den US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas wegen seines Umgangs mit der Lage an der Grenze des Amtes entheben zu wollen. Eine knappe Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus stimmte für ein solches Impeachment - auch wenn das Ansinnen in der anderen Kongresskammer, dem Senat, keine Aussicht auf Erfolg hat. Doch die Republikaner platzieren das Thema Migration, wo sie können. Es ist etwas, das viele Wählerinnen und Wähler umtreibt. Die schauen dabei nicht nur auf die Präsidentschaftsbewerber: Bei der Wahl im November werden auch alle Sitze im Repräsentantenhaus und ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Das heißt, manche Kongressmitglieder bangen wegen dieses strittigen Themas um ihr Mandat.
Nachdem Biden die Hilfen im Kongress beantragt hatte, folgten zähe Verhandlungen im Senat, die nach mehreren Monaten zu einem überparteilichen Gesetzentwurf führten. Dieser enthielt neben Geld für die Ukraine, Israel und den Indopazifik auch Mittel für die US-Grenzsicherung. Einigen Republikanern auch im Senat ging der Vorschlag aber nicht weit genug. Das Vorhaben scheiterte bereits dort.
Um nach dem monatelangen Stillstand doch noch irgendwie voranzukommen, entschied sich der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, kurz darauf einen leicht abgespeckten Gesetzesentwurf einzubringen - ohne den großen Knackpunkt Grenzsicherung. Der Entwurf sieht rund 60 Milliarden US-Dollar (knapp 56 Milliarden Euro) an Hilfen für die Ukraine vor, 14 Milliarden US-Dollar für Israel sowie Milliarden-Hilfen für Taiwan und andere Partner im Indopazifik. Dieser Entwurf hatte Erfolg: 70 der 100 Senatorinnen und Senatoren stimmten dafür, 22 davon Republikaner. Doch damit ist nur die erste Hürde im Kongress genommen. Eine Zustimmung in der anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, steht eben noch aus. Und an der Blockadehaltung der Republikaner dort hat sich nichts geändert.
Trump macht weiter Stimmung gegen das neue Paket - wie schon gegen vorherige Fassungen. Er will verhindern, dass Biden im Wahljahr einen überparteilichen Erfolg erzielt. Besonders loyale Mitstreiter hat er dabei im Repräsentantenhaus an seiner Seite. Dazu gehört der Vorsitzende Johnson. Und der hat es in seiner Funktion weitgehend in der Hand, über welche Gesetzesvorhaben in seiner Kammer überhaupt abgestimmt wird. Es gibt zwar einen parlamentarischen Kniff, ihn dabei zu umgehen. Und genau das erwägen die Demokraten im Repräsentantenhaus derzeit. Die Sache ist aber kompliziert, und die Demokraten müssten dafür mehrere Republikaner in der Kammer auf ihre Seite ziehen.
Johnson hat bereits angedeutet, dass er keineswegs vorhat, den vom Senat verabschiedeten Entwurf im Repräsentantenhaus in nächster Zeit zur Abstimmung zu stellen. Andere Dinge hätten Vorrang, etwa Gesetzgebung zur Grenzsicherung oder Haushaltsfragen. Der Republikaner steht intern unter enormem Druck. Er hat es mit einer zutiefst zersplitterte Fraktion zu tun, und das bei einer nur hauchdünnen Mehrheit. Johnson hat größte Mühe, bei Abstimmungen die eigenen Reihen zu schließen. Hardliner treiben ihn unentwegt vor sich her - wie schon seinen Vorgänger Kevin McCarthy - und drohen nun damit, ein Misstrauensvotum gegen ihn zu stellen und ihn aus dem Amt zu jagen, falls er ein Votum zu den Ukraine-Hilfen zulässt.