Am Montag, dem 16. September 2024, trat der französische EU-Kommissar Thierry Breton mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurück. Die überraschende Ankündigung, die Breton über den Onlinedienst X veröffentlichte, sorgte für Aufsehen und verstärkte die bereits bestehende Spannung zwischen ihm und der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Diese Entscheidung kommt einen Tag vor der geplanten Bekanntgabe der neuen EU-Kommission durch von der Leyen, was die Situation zusätzlich kompliziert.
In einem offenen Brief an von der Leyen erklärte Breton, dass die Präsidentin Frankreich aufgefordert habe, einen anderen Kandidaten für die nächste EU-Kommission vorzuschlagen. Laut Breton geschah dies "aus persönlichen Gründen", die jedoch nicht direkt mit ihm besprochen wurden. Er wirft von der Leyen vor, im Gegenzug "ein angeblich einflussreicheres Ressort" angeboten zu haben, falls Frankreich einem anderen Kandidaten zustimme. Dies stellt nicht nur eine persönliche Kränkung für Breton dar, sondern deutet auch auf tiefere politische und strategische Differenzen innerhalb der EU-Kommission hin.
Thierry Breton, der seit fünf Jahren als Binnenmarktkommissar fungierte, war eine prägende Figur in der EU-Kommission. In seiner Amtszeit setzte er sich intensiv für die Regulierung großer Digitalkonzerne wie Google, Apple und Meta ein und war maßgeblich an der Umsetzung von Maßnahmen gegen Desinformation und Wahlbeeinflussung beteiligt. Zudem spielte er eine zentrale Rolle bei der Steuerung der EU-Industriepolitik und der Förderung digitaler Innovationen.
Bretons Engagement für eine strengere Regulierung der Tech-Giganten und seine Position als ehemaliger CEO brachten ihn häufig in Konflikt mit den großen Technologieunternehmen und führten zu mehreren öffentlichen Auseinandersetzungen, insbesondere mit Elon Musk und anderen führenden Persönlichkeiten der Tech-Branche. Trotz seiner oft kontroversen Haltung galt Breton als eine wichtige Stimme für Reformen innerhalb der EU.
Das Verhältnis zwischen Breton und von der Leyen war seit längerem angespannt. Breton hatte von der Leyens Entscheidungen und die Führung der Kommission gelegentlich öffentlich kritisiert. Ein markantes Beispiel war seine Forderung nach europäischen Schulden während der Energiekrise, um Mitgliedstaaten zu unterstützen, die finanziell weniger stark aufgestellt waren als andere. Diese Position stellte ihn häufig in Widerspruch zu von der Leyens Politik.
Zusätzlich kritisierte Breton die Ernennung von Markus Pieper zum EU-Beauftragten für kleine und mittlere Unternehmen, die er als ungerechtfertigt ansah. Diese und andere Differenzen führten dazu, dass Breton als unbequem und oft als Störenfried innerhalb der Kommission wahrgenommen wurde.
Die Reaktionen auf Bretons Rücktritt sind gemischt. René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD, bezeichnete Bretons Rücktritt als "großen Verlust" für die EU-Kommission und einen "enormen Schlag" für von der Leyen. Repasi lobte Bretons "wirkungsvollen Einsatz für die wirtschaftliche Schlagkraft der EU", während andere die politische Dimension seines Rücktritts hervorhoben.
Die französische Regierung hat bereits angekündigt, Außenminister Stéphane Séjourné als neuen EU-Kommissar zu nominieren. Es gibt zudem Spekulationen, dass Breton möglicherweise eine Rolle in der französischen Regierung spielen könnte, deren neue Zusammensetzung bald bekannt gegeben werden soll.
Am Dienstag wird von der Leyen voraussichtlich ihren Vorschlag für die neue EU-Kommission vorstellen, die eine Amtszeit von fünf Jahren umfasst. Die Kommission wird aus 27 Kommissaren bestehen, die jeweils für unterschiedliche Ressorts zuständig sein werden, darunter Umwelt, Industriepolitik, Außenpolitik und Migration. Die designierten Kommissare müssen sich anschließend einer Anhörung vor dem Europaparlament stellen.
Bretons Abgang wirft jedoch Fragen auf, wie die künftige Zusammensetzung und die strategische Ausrichtung der Kommission beeinflusst werden könnten. Sein Rücktritt kommt zu einem Zeitpunkt, an dem von der Leyen bereits unter Druck steht, die Kommission geschlechtergerecht und effizient zu besetzen.
Thierry Bretons Rücktritt markiert einen bedeutenden Moment für die EU-Kommission und wirft ein Schlaglicht auf die inneren Konflikte und Herausforderungen innerhalb der Europäischen Union. Die kommenden Tage werden zeigen, wie von der Leyen und die EU-Kommission auf diese Entwicklungen reagieren und wie sich die politische Landschaft in Brüssel weiter entfaltet.