Ganz so lebensmüde, wie von Haase dargestellt, hat sich die Ampelkoalition dann aber doch nicht verhalten: Sie beschloss in rund 15-stündigen Verhandlungen zwar die Etats der verschiedenen Ressorts. Das "Dach", wie es der Haushaltsexperten Otto Fricke (FDP) formulierte, ließen die Koalitionäre aber noch offen. Konkret gemeint ist insbesondere der Einzelplan 60, der eine Art zentrale Verteilstelle aller Steuereinnahmen und derjenigen Ausgaben ist, die nicht einzelnen Ressorts zugeordnet sind. Dieser Teil des Etats enthält auch den Klima- und Transformationsfonds (KTF), der wegen des Karlsruher Urteils um 60 Milliarden Euro gekürzt werden muss. Er beinhaltet aber auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), aus dem die Energiepreisbremsen bezahlt werden. Auch er ist möglicherweise von dem Urteil betroffen. Wir geben einen Überblick über die konkreten Beschlüsse der Ampelkoalition – und die weiter offenen Fragen:
Energie: Die Koalition hat beschlossen, die Mehrwertsteuersenkung auf Gas von 19 auf 7 Prozent bis 29. Februar beizubehalten. Ursprünglich sollte sie Ende des Jahres auslaufen. Die Koalitionäre gaben der Regierung zudem freie Hand, die Preisbremsen für Gas und Strom bis 31. März zu verlängern. Es kann sich in den kommenden Tagen aber herausstellen, dass die Regierung davon keinen Gebrauch macht. Das liegt an dem jüngsten Urteil: Der mit 200 Milliarden Euro aus Schulden finanzierte WSF ist ähnlich konstruiert wie der Klimafonds. Deshalb könnte auch die "Befüllung" dieses Fonds verfassungswidrig sein. Die Union hat ein Gutachten in Auftrag gegeben und will gegebenenfalls erneut Verfassungsklage einreichen. Kommt die Ampel in den kommenden Tagen zu dem Schluss, dass es auch mit dem WSF Verfassungsprobleme geben könnte, dürfte sie die Preisbremsen zum Ende des Jahres auslaufen lassen – denn andernfalls würde sie Geld ausgeben, das sie gar nicht hat.
Klimafonds: Durch das Urteil fehlen im Fonds allein im nächsten Jahr 18,5 Milliarden Euro. Nach wie vor gibt es von der Regierung keine Angaben darüber, wie das Loch gestopft werden soll. Für eine Lösung hat die Koalition noch Zeit bis 1. Dezember, wenn der Haushalt abschließend im Bundestag beschlossen wird. In der Koalition hieß es, möglicherweise könne das Problem minimiert werden, indem die Ausgabenansätze auf realistische Größenordnungen reduziert werden. Bisher fließt aus dem Fonds weniger ab als kalkuliert, weil die Förderprogramme nicht so stark nachgefragt werden.
Gastronomie: Die FDP scheiterte mit dem Versuch, die in der Corona-Pandemie beschlossene Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen in Restaurants von 19 auf sieben Prozent zu verlängern. SPD und Grüne waren dagegen. Damit wird ein Restaurantbesuch im neuen Jahr wieder teurer, weil die Steuererhöhung aller Voraussicht nach von den Gastronomen weitergegeben wird.
Elterngeld: Ursprünglich war geplant, die Einkommensgrenze für den Bezug des Elterngelds von 300.000 auf 150.000 Euro zu versteuerndes Einkommen abzusenken. Das wird entschärft. Die Grenze wird zum 1. April 2024 zunächst auf 200.000 Euro reduziert, ein Jahr später auf 175.000 Euro. Außerdem können Paare in ihrer Elternzeit zwar weiterhin bis zu 14 Monate Elterngeld erhalten – sie sollen aber künftig maximal einen Monat (bisher zwei) gleichzeitig Geld beziehen können. Das muss zudem innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes sein.
Freiwilligendienste: Die von der Regierung geplanten und scharf kritisierten Kürzungen bei den Freiwilligendiensten wird zurückgenommen. Die Haushälter stockten die Finanzierung für 2024 wieder um 80 Millionen Euro auf. 53 Millionen davon entfallen auf den Bundesfreiwilligendienst. Für das freiwillige soziale Jahr, das freiwillige ökologische Jahr und den Internationalen Jugendfreiwilligendienst gibt es 27 Millionen extra. Zurückgenommen wurden auch die Kürzungen bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Regierung wollte den Etat um rund ein Fünftel zusammenstreichen.
Die Bereinigungssitzung soll am kommenden Donnerstag fortgesetzt werden. Ob es dann schon konkrete Beschlüsse zum Klimafonds und zu den Energiepreisbremsen gibt, ist offen. Am Dienstag soll es auf Antrag der Union zunächst im Haushaltsausschuss eine Expertenanhörung zu den Folgen des Verfassungsgerichts-Urteils geben. Ob diese tatsächlich Klarheit bringt, wird in der Koalition allerdings skeptisch gesehen: "Sie wissen doch: Zwei Juristen, drei Meinungen", hieß es dort.